Kurze (Edith: Lüge.) Anekdote, die mir bisschen zu nah ging ob ihrer Symbolträchtigkeit für alles. Ich muss das aber mir von der Seele schreiben und da hier eh nur der harte Kern liest, den es nicht stört, dass ich mich eigentlich nur permanent wiederhole hier.
Es gab 2 Wochen Generalabsage wegen des Schnees auf den Amateurplätzen, die im Fall des Teams, das ich begleite, weder eine Drainage haben, sodass die Rasenplätze einfach versumpfen unter dem Schnee, noch abgezogen werden dürfen auf den Kunstrasenplätzen wegen dieser Kügelchen dadrauf. Das führte in großem Stil zu Trainingsausfällen oder sporadischen Einheiten in irgendwelchen Turnhallen oder Fitnessräumen. So weit so Amateursport. Der Schnee geht, der Verband erwacht zu neuem Leben und da der reguläre letzte Spieltag am 10.12. gewesen wäre, gab es zwar seit Saisonbeginn klar kommuniziert noch ein Wochenende vor Weihnachten als Ausweichtermin, gleichzeitig war es für viele Vereine auch das einzige Wochenende für Weihnachtsfeiern, weil Woche drauf halt eben andere Stollen schon auf dem Tisch stehen. So natürlich auch bei uns, aber gut, dann nimmt man denen halt dieses eine von 2 Events im Jahr, wo sie das Gefühl haben was zurückzubekommen und sich feiern zu können als Team, no matter the weather - ach nee, genau das ja nicht.
Trotz Bitten beider Vereine den Spieltag ins neue Jahr zu schieben, bestand der Verband auf den Nachholtermin am 17.12. - Die Pause führte bei uns klassischerweise zu vielen Krankheitsausbrüchen, wie man sie kennt. Ah kein Stress mehr und Viren sind in der Luft, dann lass uns gemeinsam durchatmen. Der bereits im Frauenfußball eh dünne Kader schrumpfte damit auf 12 einsatzfähige Spielerinnen, wobei bereits davon mehrere mit starker Erkältung vorbelastet sind, in so einer Mannschaft verteilt sich das dann ja auch nochmal. Eine Spielerin durfte ich nicht fotografieren, weil sie spielte trotz Krankschreibung, die Kapitänin saß mit Fieber auf der Auswechselbank. Der ganz normale Wahnsinn des unbezahlten Fußballs.
Unverantwortlich werden einige mokieren. Und ist es auch. Leider war das angesetzte Spiel aber eines der Spiele, die mitentscheiden, inwiefern ein Aufstieg gelingen kann und daran gekoppelte in Aussicht gestellt mögliche neue Sponsoren und Perspektivchancen von Spielerinnen. Ohne 11 Spielerinnen ist es eine 0:3 Niederlage gegen einen direkten Konkurrenten um den Aufstieg. Ein Sieg bringt die Tabellenspitze zur Winterpause und das Zepter in der eigenen Hand.
Leider rotiert beim Filmemacher in mir bei sowas immer direkt die Filmrolle des Leindwanddramas und dessen Ausmaß war dieses Mal so bizarr rührselig, dass ich es im Kino als „drüber“ abgetan hätte.
Mit der ein oder anderen Ibu im Blut wird aufgelaufen. Anspannung 99. Wegen der Platzverhältnisse Auswärtsspiel statt Heimspiel gegen das Team, was letzte Saison den eigenen Abstieg eingetütet hat und sich dann selbst auch nicht mehr retten konnte.
Ich scherze zur Co-Kapitänin: „Macht einfach ein schnelles Tor, dann könnt ihr euch hinten reinstellen.“ - müdes Lächeln allenthalben.
Der übergewichtige Schiedrsrichter, der alleine das Spiel leitet, da Asssitent:innen erst ab Liga3 gefordert sind, pfeift an. Ich merke schon seit einiger Zeit, dass ich viel zu sehr committed bin in die Geschichte, ertrage deren Leid schwer, weil da so viele engagierte herzensgute junge Frauen sich gegen alles abkämpfen. Das geht sicher dem anderen Verein auch so, aber irgendwo hat mein Herz auch eine mit Stacheldraht behütete Grenzmauer, die Schlepperbanden bezahlt. Am Spielfeldrand merke ich das immer, wenn ich kaum Fotos mache, sondern das Spiel zu viel verfolge. Profi ey.
- Spielminute. Führungstor. Erleichterungsschreie von allen an der Seite, ich hechele durch Freude zu spät mit der Kamera motivsuchend. Suche Augenkontakt zur Co-Kapitänin für einen „Ich hab’s euch gesagt“-Blick. Vergebens. Geschenkt.
Spiel nimmt dann gut Fahrt auf. Momentum. Nicht umsonst fester Bestand jedes FIFA-Teils seit X. In der 25. Minute dann ein hoher Flankenball in den Strafraum, eigentlich ungefährlich, Torhüterin von uns dann mit üblen Stellungsfehler und umso übler, da so in der Art schon der 3. diese Saison und jedes Mal als Momentum-Shift perfekt ausgewählt. Stammtorhüterin ist verletzt seit Monaten, 3. Torhüterin gibt es nicht. Sie schaut von außen zu, hatte noch überlegt heute schon zu spielen, aber Freigabe vom Arzt erst für die Rückrunde. Lippenschürzen. Torhüterin springt fast unter de Ball durch, wischt ihn der Gegenspielerin auf den Kopf. Ausgleich. Kopf unten.
Anstoß. Kopf hoch. Spiel wieder an sich reißen. Rufe von außen. Immer positiv bleiben. In mir so viel Frust, aber das Sportumfeld ist schon so toxisch, dass ich mir vorgenommen ausschließlich motivierend einzuwirken. Der erste Angriff nach dem Ausgleich. Nach einer Flanke Zusammenprall mit der gegnerischen Torhüterin. Lange Behandlungspause. Geht nicht mehr. Rock bottom momentum.
Das Spiel komplett gelähmt durch eine weitere knapp 15 minütige Verletzungsunterbrechung der gegnerischen Torhüterin, unnötiges Gefrotzel von beiden Trainerbänken. Scheißwelt. Scheißverband. Halbzeit.
Nach der Pause wieder alles auf Null. Richtig gute Energie aus der Kabine. Spielerin #23 ackert für 2, obwohl angeschlagen. Drückender Ballbesitz. 3 richtig dicke Chancen vergeben. Der Rest schreibt sich für die geneigten Fußballzyniker hier schon von selbst. Nur 2 Scheißehäubchen noch auf der Sahnetorte.
Erneute Verletzung. Die fiebrige Kapitänin schnappt sich gegen den Wille des Trainers ihr Trikot, geht auf den Platz. Leitwolf inklusive der Unvernunft, die es als tragische Heldin braucht. Ich verspüre nur Anerkennung für diese Leistungsbereitschaft für diesen Sport, den offensichtlich niemand sieht, niemand fördert, niemand unterstützt und niemand so richtig will. Ergreifend.
Schmerzverzerrte Gesichter, viele Extrawege. Leider ist Körperlichkeit aber eben auch eine unübrwindbare Realität. Die Akkus sind leer, Fehlpässe, grobe Fehlpässe. Hektischer Spielaufbau. Dann das Gegentor. Hab’s gar nicht richtig gesehen, ich stand auf der anderen Hälfte, hab ja auf das Tor gewartet, war mir ja sicher es würde kommen. Die Geschichte sollte ja gut ausgehen. Ich war positiv. Nur positiv. Trete gegen irgendwas herumsteht. Es war ein positiver Tritt.
Danach leider etwas, was mir zu bekannt ist. Bei dem Team besonders ausgeprägt, aber auch beim den Profis von Wolfsburg für mich wahrnehmbar, wie viel mehr da die Teams an Drucksituationen zerbrechen und noch mehr Blackout-Momente schaffen. Bälle fliegen ins Nichts oder die Gegnerbeine, kein Angriff gelingt mehr, nichts gelingt mehr. Stille außen. Frustrufe auf dem Platz. Es sind noch 25 Minuten zu spielen, aber das Spiel ist vorbei. Das ist so spürbar, dass ich nicht an Metaphysik glauben muss.
Nach dem Abfall des Dramendreiecks bleibt nur noch eins: Die Katastrophe. In der Nachspielzeit fällt noch das 3:1, auch egal, aber Nackenschlag und als schmerzhaft tragische Symbolik bricht Spielerin #23 bewusst los zusammen. Ich hatte damals den Fall von Eriksen auch live im TV gesehen und hatte direkt Kloß im Magen. Einfach leer. Völlig aufgegeben für die Sache, den Sport. Über die Schmerzgrenze hinaus, wie Trainer:innen es immer fordern. Ich war gelähmt. Alle anderen auch. Unser Trainer deutet dem Schiri an er soll abpfeifen, Rettungswagen wird gerufen. Notarzt kommt dazu. Über 45 Minuten stellt sich das bizarre Bild dar, wie das Blaulicht im Anstoßkreis eines Amateurplatzes den dunkler werdenden Tag immer eindringlicher erleuchtet. Alles voller Symbolik. Lächerlich voll. Und so bitter. Ich bin wuttraurig. Auf den Verband. Auf das gegnerische Team. Auf den Verein, der nicht mehr Spielerinnen hat, auf mich, der nicht genug Geld hat und erreichen kann, dass der Verein mehr Spielerinnen haben kann. Auf Fußball, der Leute so kaputt macht und nochmal auf mich, dass ich nur Anerkennung für solche lebensgefährliche Aufopferung empfinde und es nicht mal als falsch wahrnehme. Mir es fast peinlich ist, dass ich nicht wüsste, ob meine Opferbereitschaft so weit ginge und das vielleicht nötig wäre, um das nötige Mehr zu erreichen das offensichtlich fehlt.
Die Mannschaft sitzt vermutlich in der Kabine. Viele Tränen. Angst. Empathie. Enttäuschung. Mit diesem Trauma nun in die Winterpause. Keine Weihnachtsfeier mehr danach. Einfach mit Kapuze ins Nichts, frohes Dingens, ja, dir auch. Ja. Wird alles besser. Ja. Vielleicht.
Ich hab das Meiste nicht mitbekommen, ich stand die komplette Zeit, die der RTW auf dem Platz war geistesabwesend an der Stelle. Lief immer einen Schritt nach links und nach rechts. Kapuze tief im Gesicht. Nicht ansprechen. Nicht gesehen werden. Aber wollte auch nicht weg sein. Vielleicht braucht jemand irgendwas. Vielleicht brauchte ich irgendwie das dort Nichtssein. Als sie ins Krankenhaus fahren nach Ewigkeiten bleibe ich weiter stehen. Weiß nicht, wohin mit mir und den Gedanken. Spielerin #23 wurde 6h durchgecheckt im Krankenhaus, ohne wirkliches Ergebnis außer mittelschwere Gehirnerschütterung durch den Sturz. Sie ist auf eigenen Wunsch noch am selben Abend nach Hause. 2 Betreuerinnen vom Verein waren die ganze Zeit bei ihr. Dafür ist Sport toll. Vereine sind toll. Menschen.
Das ist jetzt 2 Tage her, ich sitze hier im Büro. Aber mental stehe ich immer noch da am Rande eines Kunstrasenamateurplatzes. Blaulicht leuchtet monoton als einziges Zeichen, dass die Zeit vergeht und ich weiß nicht, ob ich vielleicht lieber eine Pause machen sollte, weil das alles zu viel mich beschäftigt, mir zu viel bedeutet und es zu viel gibt, was ich nicht beeinflussen kann, was ich wiederum einfach nicht akzeptieren kann.
Ist lang geworden, aber das ist auch immer noch mein Therapieforum, Baby. Verzeiht die aus Ermangelung anderer künstlerischer Schaffensplätze zusätzlich dramatisierende Schreibweise. Ich verzichte auf Fotos.