Das ist poetische Freiheit, ihr Banausen
Ja, genau, frisst das ihr Beiden!
Die Text(de)generierung erinnert mich an Verwandte, die denken es wäre eine gute Idee ihre Hochzeitsrede in Reimform zu halten.
Von nichts kotzt’er schneller
Als von Mozarella.
Wenn auf einem runden Geburtstag plötzlich jemand mit nem Zettel in der Hand aufsteht und mit „Kaum zu glauben, aber wahr“ anfängt, griffel ich hektisch nach den Kaltgetränken, um vielleicht noch bis zum Ende des Gedichts sturzbetrunken zu werden und mich nicht dran zu erinnern.
Thomas Gottschalk würde das rappen
Und das in Zeiten von reimenden ChatGPTs und Copilots. Unendliche Möglichkeiten
Deutsche Klassiker.
Goethes Faust allen voran. Mein Deutschlehrer, der sehr wohl viel auf literarisches Wissen und Vielfalt stand, hat uns auch nur die für das damalige Abitur relevante Stellen von Nathan der Weise und Co. kopiert. Ein wenig mit dem Augenzwinkern, dass man die sich meist den Rest der Geschichten sowieso denken konnte.
Ich kann verstehen, dass manche Werke möglicherweise mal „etwas nie da gewesenes“ darstellten, aber aus heutiger Sicht ist vieles davon aus der Zeit gefallen und eher anstrengend zu lesen als wirklich bereichernd.
Oder hab ich den ganzen Kram einfach nur nicht verstanden und bin der deutschen Nibelungentreue nicht würdig? Muss voller falscher Irrungen und Wirrungen auf Tauris einfach nur dem Blocksberg geopfert werden?!
In der Schulzeit fand ich das ganz schlimm zu lesen.
Mit zunehmendem Alter habe ich die aber richtig zu schätzen gelernt. Ist wie mit Filmen. Zur selben Zeit, als ich den Schimmelreiter lesen musste, fand ich, dass Fast&Furious ein richtig geiler Film ist und der Pate langweiliger Mist. Genau wie bei den Filmen, hat sich auch mein Büchergeschmack geändert, bzw. fast umgekehrt. Jetzt hole ich viele der Klassiker nach oder lese sie sogar erneut.
Ein Fitzek dazwischen, oder mal bedeutungsloser Marvel Quatsch macht trotzdem noch Spaß, aber nur ab und zu. Das ist dann eher bewusst gewähltes Kontrastprogramm. Wenn man Fitzek nach Kafka liest, ist das schon verrückt (man muss Fitzek allerdings zugute halten, dass er sich selbst gar nicht für einen guten Schriftsteller hält, sondern es als sein Ziel ausgibt, Leute zum lesen zu bringen).
Ich bilde mir aber ein erst heute erkennen zu können, was diese Klassiker so großartig macht. Und würde einiges dafür geben, mit dem heutigen Wissen und Interesse nochmal im Deutschkurs der Oberstufe zu sitzen
Da ist schon was dran. Ich musste in der Schule keinen Faust lesen, sondern erst im Zuge meiner Arbeit.
Aber so sehr der Goethe auch ein ganz schlimm eingebildeter eitler Fatzke war und die story von Faust högschd fragwürdig…Mit Worten konnte der schon echt krass gut umgehen
„Deutsche Klassiker“ ist aber auch ein Begriff, der ein bisschen ins offene Feld der Jahrhunderte läuft und sich darin verirrt. Ich nehme an, du meinst damit ja nicht nur die Deutsche Klassik um Goethe und Schiller, sondern alles, was irgendwie „alt“ ist.
Ich habe diese Ablehnung gegenüber nicht zeitgenössischer Literatur nie verstanden. Ich habe als Jugendlicher immer alles abgefeiert, was für mich irgendwie in einen intellektuellen Kanon gehörte. Natürlich erstens weil ich keine Ahnung hatte. Und zweitens weil ich einen peinlichen Willen zur Distinktion aufwies. Womit konnte ich mich mit 15 oder 16 besser von der Masse abheben als mit einer Vorliebe für Kafka, Büchner, Heine etc.?
Drittens kommt diese (Vor)Liebe bei mir vor allem daher, dass es bei mir zu Hause quasi keine Bücher gab. Dann habe ich einmal das Haus eines Freundes betreten. Also erstens hatten die ein Haus und nicht eine 55 qm Bude für 6 Leute, und zweitens stand dieses Haus voll mit Büchern. In deckenhohen Regalen, auf dem Boden, auf Tischen und Schreibtischen.
Das wollte ich auch irgendwann mal haben.
Hat geklappt.
Und das Geile ist: ich lese das Zeug sogar.
Habe ich bereits erwähnt, dass ich zur sogenannten Trivial- oder Unterhaltungsliteratur nie einen Draht gefunden habe. Hat ja bei mir zu Hause nie existiert. Nach meiner schicksalhaften Begegnung habe ich mich dann sofort in alle möglichen Klassiker der Theorie und Literatur hineingewühlt. Ohne anfangs etwas zu verstehen. Aber ich hatte viel Durchhaltevermögen.
Lohnt sich.
Ich hoffe sehr das stand auch so in deiner Arbeit.
Oder auf seinem Grabstein.
drum: quote=„che_haven, post:553, topic:515“]
„Deutsche Klassiker“ ist aber auch ein Begriff, der ein bisschen ins offene Feld der Jahrhunderte läuft und sich darin verirrt. Ich nehme an, du meinst damit ja nicht nur die Deutsche Klassik um Goethe und Schiller, sondern alles, was irgendwie „alt“ ist.
[/quote]
Gut erkannt, scheinbar hab ich hier auch eine feststehende Begrifflichkeit fälschlicherweise (mit-) genutzt.
Primär geht es mir wirklich um die Sachen von Goethe, Schiller, Lessing und so.
In meinem Groll nachdem ich hier mit einer alten Schullektüre konfrontiert wurde hab ich da auch irgendwie einfach zu sehr in viele unnötige Richtungen (Sorry, Theo Fontane und Co! ) geschossen.
Ich würde es nicht als Ablehnung „alter“ Literatur benennen. Im Grunde will ich auch nicht ausdrücken, dass die alten Schinken allesamt nicht des Lesens wert seien.
Dennoch finde ich es teilweise überholt, dass manche Werke nun schon seit Jahrhunderten ein scheinbar unantastbares Ansehen genießen.
Klar - Faust war vor Fight Club.
Womöglich existierte auch bereits andere ähnliche Geschichte vor Faust, die Goethe einfach weiterentwickelte (…klar, der Ur-Faust … badum tss ), daher arbeitet es halt in mir, dass es doch mittlerweile eine gute Fortschreitung, Reboot oder Remaster geben muss - you name it.
Ich weiß halt auch nicht, ob das einfach nur Titel sind, die bei gewissen Wichtigtuern im Regal stehen müssen, weil diese Titel halt diesen hohen Stellenwert haben und dadurch sich deren Standing halt weiterhin manifestiert und nicht hinterfragt wird.
War ja schon immer so.
Aber ich bin auch in keinster Weise so belesen wie ihr. Ich bin gerne dazu bereit meine Ressentiments aufzulösen.
Immer her mit den Vorschlägen, welche Klassiker heute noch lesenswert sind und vielleich auch leichter zugänglich? Ich habe das Gefühl immer erst ein paar geistige Treppenstufen hoch und runterlaufen zu müssen, wenn ich mir diese Schinken vornehme
Höckschte Stufe des Undestatements: Natürlich nur die Reclam Ausgabe mit handschriftlichen Notizen darin und kein edler gebundener Schinken, der besonders viel her macht.
Faust war - ausschließlich dank unseres begnadeten und betagten Deutsch-Lehrers (Gott hab ihn selig) - ein Buch, bei dem mein 18-Jähriges Deutsch-LK-Ich mit Kuli auf den Rand geschrieben hat „Dieses Buch ist gar nicht so schlecht“ und ich habe mir bei einem Weimar-/Buchenwald Besuch 2,3 Jahre nach dem Abi tatsächlich ein T-Shirt mit dem Zitat von mephisto (ich bin ein Teil von …) gekauft und lange stolz getragen, weil ichs cool fand.
Was ich sagen will: ich glaube, die Rezeption der deutschen Klassiker hängt wirklich zu 90% mit dem Lehrer zusammen, der die Lektüre mit einem bearbeitet.
Ich glaube auch, der Anteil derer, die sich privat sagen „ich kauf mir jetzt mal Faust oder Glocke im Thalia und lese das“ ist doch sehr überschaubar und die meisten Klassiker sind wohl wirklich nur noch Schullektüre.
Instant-Like für die Reclam-Liebe
Vielleicht stammt meine Verdrossenheit wirklich daher, aber du sagst ja passenderweise auch, dass man sich diese Schinken nicht mehr wirklich freiwillig gelesen werden.
Daraus schließe ich im Umkehrschluss, dass die Bücher gar nicht mehr so das Nonplusultra sein müssten, da sie sonst durch ihren Inhalt einfach weiterhin gelesen werden müssten. Andere ähnlich alte Bücher schaffen das ja schließlich auch!!11
Andererseits kommen wir auch an keine vom Schulunterricht „bereinigten“ Absatzzahlen, da es so oder so rein spekulativ bleibt.
Aber was wären Gefühle, wenn sie rational wären
Warum eigentlich Schinken? Das impliziert ja von vornherein, dass es ein überkommener Blödsinn sei, dessen der moderne Mensch nicht mehr bedürfe, weil er sich irgendwie weiterentwickelt hätte (absichtlich Konunktiv II Irrealis).
Ich verstehe diese vorauseilende Angst nicht, von wegen: Oh, das ist alt und bestimmt kompliziert und voll langweilig und die Sprache verstehe ich sowieso nicht.
Ich bin jetzt niemand, der ausschließlich altes Zeug liest, im Gegenteil, ich habe viel zu viele Bücher noch überhaupt nicht gelesen, die ich längst mal in der Hand gehabt haben sollte. Aber ich gehe an jedes Buch epochenunabhängig mit der gleichen Einstellung ran und beurteile es dann danach, ob es mich kickt oder nicht.
Zuletzt noch einmal Dantes Inferno gelesen und festgestellt, dass das von der Machart hochmodern ist – mir aber mit seinem christlichen Dogmatismus teilweise auf den Sack geht.
Aber im Allgemeinen ist Lesen eh
und ist es in der breiten Masse nie gewesen. Das Buch als Statussymbol einer vermeintlichen geistigen Bildung ist wohl aber nach wie vor angesagt. Lesen muss man die Dinger dann aber nicht, es reicht, wenn sie im Regal gut aussehen. Und gerade sind es oft solche vermeintlichen Bildungsbürger, die zu Hause ihre Prachtausgaben vom Erlkönig im Regal stehen haben, die den guten alten Standesdünkel gegenüber jenen pflegen, die tatsächlich wissen, was in diesen Büchern drinsteht.
Der deutsche Bildungsbürger steht immer noch viel mehr auf Gefühl und emotionales Urteilen, anstatt auf erarbeitetes Wissen und Fakten. Wenn jemand wirklich mal was weiß und nicht nur undefinierbar vor sich hinfühlt, dann macht ihm das eher Angst, und da blitzt dann auch in einer alten verlotterten, aber stets vererbten Gedankenecke der Scheiterhaufen auf – der ja aber, leider Gottes, mittlerweile abgeschafft wurde als Erziehungsmittel.
Was wollte ich überhaupt sagen? Wahrscheinlich die gleiche alte Leider wie beim letzten Mal: Keine Angst vor alten Büchern. Sie sind sehr gut. Oder sehr schlecht. Oder so mittel – kommt ganz aufs Buch drauf an. Was sie aber nicht sind qua Alter: furchtbar kompliziert.
edit: Ich nutze diesen Platz, um gleich noch eine Autorenempfehlung hier liegen zu lassen. Aus den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. Peter Weiss.
„Der Schatten des Körpers des Kutschers“
„Abschied von den Eltern“
„Ästhetik des Widerstands“
„Die Ermittlung“ (Theaterstück)
Das ist auch schon alles, was ich von ihm gelesen habe, aber dieses wenige hat mich schon nachhaltig geprägt. Gehört zu der Art von Literatur, an die ich immer wieder denken muss und über die ich weiterhin nachdenke, auch nach lange beendeter Lektüre.
Da werden hier ständig Serien vorgeschlagen, so dass der Tag 50 Stunden haben müsste und nun auch noch Goethe, von dem ich in meinem Leben keine 10 Seiten gelesen habe. Zugegen, ich war nie der grosse Bücher Fan, der eine oder anderen Serienmörder war ganz gut aber sonst mag ich lieber (bewegte) Bilder. Wir haben auch gefüllte Bücherregale, doch auch da dominieren Assouline oder Bücher über alte Comics, Filme und bekannte Gesichter. Ich bin ein Unterhaltungs Junkie.
Aber sollte mal die Heizung im Arsch sein, haben wir auch was zum verbrennen.
Zu meiner Verteidigung ist zu sagen, dass ich bereits vor Schulbeginn lesen konnte. Jahre später habe ich dann einen Bericht über eine Studie gelesen, dass Kinder, die Comics lesen, auch schneller lesen können. Das hat mich natürlich bestätigt, denn meine Entenhausen Sammlung war riesig.
Weil das Werk gereift, haltbar und wertvoll ist dachte ich immer. Dann gab es aber wohl eine dumme Umdeutung. Die veganen Hurensöhne haben Bildung gefickt. Schinken gecancelt.
Ey so ein richtig geiler Weihnachtsschinken in dessen Fett das Brot gedippt wird…
Für mich steht Schinken auch nur für etwas gereiftes und abgehangenes, durchaus was positives und konstantes.
Je nun, dann verstehe ich nicht, warum der „alte Schinken“ in Bezug auf Bücher nicht besonders positiv verwendet wird.
Weiter oben wurde dies Bild ja auch ausschließlich genutzt, um irgendwie diffus negative Gefühle auszudrücken.
Und mit Hinterteilen von Schweinen kenne ich mich tatsächlich nicht so gut aus, um da Werturteile über die Korrelation von Reifegrad und Qualität abzugeben.
Mir fällt noch ergänzend zum Thema ein, dass meine 82-jährige Mutter, immer wenn sie beim Zappen einen Film trifft (womöglich sogar in Schwarzweiß), bei dem ein Schauspieler oder eine Schauspielerin mitspielt, die/der vielleicht sogar schon tot ist, zumindest aber uralt, im Film aber noch jung – dass meine Mutter dann immer total empört ausruft: „Wie alt ist denn dieser Film!“ Und dann entrüstet umschaltet. Mit zunehmendem Alter macht sie das immer konsequenter (sofern ich das aufgrund meiner zwei bis drei jährlichen Besuche, ja ich bin nur ein halbguter Sohn, beurteilen kann). Die Ironie entgeht ihr dabei natürlich.