Jahresrückblicke 2021 - Drei Armschüsse für Aschenbrödel

Ich mach mal, obwohl die meisten Kategorien leer bleiben. Entweder weil nichts passiert ist oder weil mein Gedächtnis das Meiste längst verdrängt hat.

Schönster Moment des Jahres
Als Mitte Juli meine Familie komplett geimpft war und uns zum Geburtstag in Zürich besuchen konnte. Das Geburtstagsessen in einem Restaurant war ein beinahe surrealer Moment (Sushi war ausgezeichnet :ronaldo:) nach dem Covid-Frühling. Überraschend war noch meine Schwester dabei, um uns persönlich zu sagen, dass ein zweites Kind im Anmarsch ist. Allgemein gab es einige schöne Familienmomente, deren Bedeutung für mich letztes Jahr deutlich zugenommen hat.

Schlimmster Moment des Jahres
Tod meiner „Adoptiv-Oma“ (eigentlich Cousine meines Grossvaters). Es bleibt ungeklärt, ob sie uns oder wir sie adoptiert haben, es ist aber auch egal. Das Herz wollte nicht mehr, es sei ihm mit 93 Jahren gegönnt. Sie selber hatte bis ganz zum Schluss Bock auf Leben, Familie, Essen und Zusammensein und nie Selbstmitleid. Man muss sich auch trauen, mit 89 Jahren aus Amsterdam, wo man die letzten 35 Jahren gelebt hat, nach München zu ziehen, um bei der Familie zu sein. Es bleiben Zitate wie „Alt werden ist nichts für Schwächlinge“, „Meine beste Freundin, die beidseitig bespielbare Schallplatte“ (bisexuelle 85-Jährige beste Freundin) und „beim nächsten Juden-Spruch gibts Schellen“ (am Rande einer AfD-Kundgebung in München). Sie war 30 Jahre mit einem deutschen Holocaust-Überlebenden verheiratet, der sich als Erwachsener im 2. Weltkrieg jahrelang wie Anne Frank mit erster Frau und Kind versteckt hat. Seine komplette Familie wurde ausgelöscht. Die beiden haben mit 60 geheiratet und waren 30 Jahre lang das grosszügigste, gütigste Paar. Machts gut, Tante Inge und Onkel Hans.

Bewegendster Moment des Jahres
Als meine Frau im Festsaal der Uni ihre Antrittsvorlesung hielt, war ich so unfassbar stolz, ich wäre fast geplatzt. Nach 13 Jahren Studium/Doktorarbeit/Postdoc meine Frau dort oben ihre eigene, erfolgreiche Forschung vor den Granden des Faches präsentieren zu sehen gab mir das Gefühl, dass sich all der Aufwand gelohnt hat.

Verrücktester Moment des Jahres
Dieses Jahr war für mich nicht verrückt. Nur zäh, mühsam und ewig lang. A propos: Eines Tages habe ich mir überlegt, einen schönen Spätherbsttag zu nutzen, um den Zürichsee zu umrunden. Hab mich bei 7 Grad aufs Rad gesetzt und bin losgefahren, obwohl das locker doppelt so lang wie meine bis dato längste Runde war. Ist eine Weile her, dass ich auf eine körperliche Leistung so stolz war, auch wenn Strecke und Geschwindigkeit einigen hier vermutlich nicht so beeindruckend vorkommen könnten.

Grösste Überraschung des Jahres
Ich war doch überrascht, wie sehr mir Radfahren Spass macht, seit ich endlich ein Gravelbike habe. Wie Wandern, nur schneller und befriedigender, wenn man sich wieder einen Hügel hochgekämpft hat.

Grösste Enttäuschung des Jahres
Naja, die schleppende Pandemiebekämpfung halt.
Aber deutlich enttäuschter bin ich persönlich vor allem davon, wie sehr sich mein Chef weigert, Flexibilität in sachen WFH/HO zu zeigen. Ich pendle 1.5h einfache Strecke, davon 50min im IC. In der Zeit habe ich Internet und alles, ich darf dort auch arbeiten, es aber nicht als Arbeitszeit anrechnen. :ugly: Obwohl HO prinzipiell jedem Laborleiter mindestens 1 Tag/Woche zusteht, wurde es von meinem Gruppenleiter gestrichen. Er sei der Meinung, meine Arbeit könne nicht von zuhause ausgeführt werden. Ich so :bconfused: Ich habe seit März 2020 wie alle anderen teilweise von zuhause gearbeitet und alle Ziele erreicht. Letzten Endes hat es nur geholfen, dass ich ihn über meine immer schlimmere Insomnia informiert habe. Nun darf ich jede Woche neu HO beantragen. Auf keinen Fall fix eintragen. Aber jede Woche neu beantragen und sofort genehmigt bekommen :ulaugh:

Zitat / Aktion des Jahres (eigen)
Laut Profil ist das mein Post mit den meisten Likes. Es ist, wenig überraschend, ein Corona-Rant:

Zu der Zeit hatte ich noch mehr Lust auf Pöbeln, mittlerweile bin ich vor allem müde. Ich mache ja alles mit, aber überzeugen kann man nun eh niemanden mehr. Wenn ich mit meinen Beiträgen irgendwie Aufklärungsarbeit oder Hilfe leisten konnte, freue ich mich sehr.

Zitat / Aktion des Jahres (fremd)
Zum Jahresabschluss noch ein Highlight: Zu Bostoner Zeiten war mein bester Freund Juan aus Valladolid, toller Typ und grosser Fussballfan, mit dem ich zeitweise in 3 verschiedenen Freizeitligen, meist als TW, unterwegs war. Als ich vorgestern aus dem Urlaub zurückkam, wartete ein Paket aus Boston auf mich:


Juan :love:

Sofacoach Post des Jahres
Ich finde es super, dass es immer wieder richtig aufwändige, lange Posts gab. Zum Beispiel die Lebensverläufe (ist das ein Wort?) im Politikthread startend etwa hier:

Bild/Foto des Jahres
Stellvertretend für viele andere Grafiken
https://twitter.com/PaulMainwood/status/1479528897259712513
Get rolled, Covid

Podcast des Jahres
Lage der Nation finde ich super, Geschichte ungenügend macht richtig Laune, gerade auch mit Behind the bastards angefangen und für gut befunden

Youtuber/Youtube-Kanal/Twitcher/Tik-Tokker etc. des Jahres
Also ich freue mich auf twitter ja sehr über den von @Dion empfohlenen birdperhour-Bot. So viel Pöbelei, da guck ich zwischendurch einfach schöne Vögel-Bilder an. :roccotop:

App des Jahres
Mein Candy-Crush-Klon „Best Fiends“ leistet mir beim Pendeln seit zwei Jahren beste Gesellschaft :u5:

gif des Jahres

Vielseitig anwendbar

Essen/Getränk/Wichtelbier des Jahres
Ok, bis Anfang des Jahres konnte ich so gut wie gar nicht kochen. Deshalb die Ergebnisse meiner zaghaften Versuche, ein zumindest passabler Koch klassischer italienischer Pastagerichte zu werden. Klassische Cacio e pepe und Carbonara sind mittlerweile wirklich geniessbar.

Tweet des Jahres
Jede gute Visualisierung komplizierter wissenschaftlicher Zusammenhänge

Wort des Jahres
mRNA

Unwort des Jahres
„Massnahmenkritiker“ - geht kacken ihr Idioten

Persönlichkeit des Jahres
Die medical community: klinische Forschung, Pflege, Versorgung, alle

Trottel des Jahres
Dieses Jahr gab es so viele, dass man fast vergisst, dass Anfang des Jahres Donald Trump noch zum Sturm aufs Kapitol aufgerufen hat. Ansonsten halt die geballte Corona-Idiotentruppe.

Gewinner des Jahres
Die Aktienkurse

Verlierer des Jahres
CDU und CSU. Nach all der Zeit war einfach nicht mehr zu verstecken, dass es ein korrupter, zerstrittener, zielloser Haufen ist, der nur vom Willen nach Macht zusammengehalten wird. Und wurden von Olaf Scholz geschlagen :nelson:

Album des Jahres
Hab vor allem alte Sachen gehört, aber die neue Biffy Clyro ging gut ins Ohr

Most Wanted Album 2022
Ich guck einfach mal, was dann überraschend bei plattentests.de oder hier im Forum aufploppt :ronaldo:

Song des Jahres
Kann für mich eigentlich nur das sein, hier in der Orchesterversion:

Konzert / Festival des Jahres :kackebart:
Also das Zurich Street Food Festival war sehr schön :ronaldo:

Top-Film des Jahres
Dafür hätte ich mehr Filme gucken müssen. Der letzte Bond bleibt als der erste Kinofilm seit meiner Rückkehr aus den Staaten im Gedächtnis.

Most Wanted Film 2022
Irgendwas Neues, keine Fortsetzung, keine Superhelden, daran habe ich mich wirklich sattgesehen.

Top-Serie des Jahres
Hab mich dieses Jahr vor allem durch ältere Sachen auf Netflix gearbeitet, aber Arcane war schon ein ziemliches Brett, wenn man irgendwas mit animiertem Zeugs anfangen kann.

Most Wanted Serie 2022 (egal, ob neue Staffel, oder komplett neue Serie)
Eine weitere Staffel Arcane fände ich super, ich freue mich aber auch auf die nächste Staffel The Witcher. Es wird sicher nie so gut werden wie die Spiele, aber langsam findet sie ihren groove.

Beste Serienfolge des Jahres
Nicht wirklich eine Folge im eigentlichen Sinne, aber Bo Burnhams „Inside“ hat mich ziemlich beeindruckt. Und die Lieder sind unverschämte Ohrwürmer.

(Hör-)Buch des Jahres
Herkunft von Sasa Stanisic. Ich liebe seinen Sprachstil und das vom Schema F (:ronaldo3:) abweichende Format.

Most Wanted Buch Publikation 2022
Das Gros meiner Postdoc-Arbeit wurde Ende 2019 fertiggestellt. Ende 2021 wurde die Arbeit zur Publikation angenommen. Jetzt muss mein akademischer Abschiedsgruss nur noch erscheinen

AutorIn des Jahres
Investigativredaktionen, z.B. die der SZ. Ohne deren Arbeit hätten wir nie etwas von Machenschaften wie etwa der massenhaften Verwendung der Pegasus-Spyware durch Autokraten, Diktatoren und deren Freunde erfahren.

Top-Spiel des Jahres
Ich spiel fast nie mehr Spiele bei Veröffentlichung und habe vor wenigen Wochen endlich Witcher 3 mit allen DLC beendet. Wow. Die Grafik, die Geschichte, die Quests (der blutige Baron :eek:), ein absolutes Meisterwerk.

Flop-Spiel des Jahres

  • Die Steuerung von RDR2, das ich gerade anfange. Was soll der Scheiss? Irgendwie habe ich mittlerweile immer weniger Lust, mich auf sowas einzulassen, ich werde alt
  • Overwatch - das Spiel, mit welchem ich seit ca. 2018 wohl am meisten Zeit verbracht habe. Seit 2020 im Wartemodus mit minimalem neuen Content wegen OW2…welches nun wohl auch 2022 nicht erscheinen wird. Sehr schade

Most Wanted Game 2022
Spiele ich dann vermutlich gegen 2024, also keine Eile :turtle:
Die Mass Effect-Trilogie in 4K habe ich fest im Visier und freue mich sehr drauf.

2021 war…
Ja, irgendwie ganz ok, aber nicht grossartig. Ich habe Spass an meiner Arbeit, der Zusammenarbeit mit meinen Labormitarbeiterinnen und meinem Projektteam. Beruflich und finanziell machen meine Frau und ich grosse Sprünge, was toll ist. Sich ohne Probleme schöne Sachen (Essen!) leisten zu können ist ein riesiger Luxus.
Nur stellt sich die grosse Freude darüber nicht ein. Nach zwei Jahren in der wunderschönen, effizienten Schweiz komme ich mir immer noch vor wie ein geduldeter Dauergast, ein Gefühl, dass viele andere Expats (=Arbeitsimmigranten, aber weiss :roll_eyes:) teilen. Bezeichnend, dass ich hier mittlerweile deutsche, amerikanische, kanadische, spanische, ungarische Freunde habe, aber keine Schweizer.
Im Beruf nagt das Pendeln sehr an mir, die 3h Lebenszeit jeden Tag sind physisch und psychisch zehrend. Ich bin unsicher, ob ich das auf Dauer durchhalten kann, ohne meiner Gesundheit und meinen Beziehungen zu schaden. Mein Ziel war es, so hart in meiner Ausbildung zu arbeiten, dass ich es anschliessend ruhiger angehen kann. Nun habe ich so einen Job gefunden, der mich fordert, aber nicht stresst, nur um dann vom Pendeln zerstört zu werden. Seisse :ronaldo:

Über die Welt um uns rum habe ich ehrlich gesagt keine Lust zu reden. Wurde doch eh schon alles gesagt.

2022 wird…
hoffentlich das Jahr, in dem ich für mich kläre, ob und wie ich mich beruflich verändern werde. Ich wollte zumindest 2 Jahre in meinem ersten Job bleiben, um mich erst einmal zu etablieren, das ist gelungen. Aber was hilft mir mein Kontostand, wenn ich nicht mehr schlafen kann? Oder wenn ich abends und am Wochenende zu müde bin, Sachen zu unternehmen?
Im letzten Jahr habe ich eine handvoll grossartiger Leute getroffen, mit denen ich nächstes Jahr noch viel mehr unternehmen möchte. Ich möchte mit meiner Frau die Schweiz erkunden, ob auf dem Fahrrad oder zu Fuss. Und wer weiss, vielleicht müssen wir dabei auch nicht mehr dauernd eine Maske tragen.

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