Also, dass Doping keine Rolle mehr spielt glaubt wohl keiner. Allerdings konnte man die letzten Jahren zumindest so etwas wie Chancengleichheit erkennen.
Wer Bernal beim Giro oder auch andere Spitzenfahrer in den letzten Jahren gesehen hat, der hat zwar auch schon viele Leute gesehen, die ihren Konkurrenten an Berg davon gefahren sind. Aber die haben dann eigentlich immer dafür bezahlt und konnten in den folgenden Tagen nicht mehr weg fahren bzw. wurden selbst irgendwann abgehängt. Bei Roglic hatte man auch eher das Gefühl, dass er zum Ende von großen Rundfahrten etwas schlechter wird und er konnte nicht allen Attacken folgen. Selbst Froome oder Bernal hatten bei ihren Siegen in den letzten Jahren am Ende ein, zwei Minuten Vorsprung vor dem Rest, sodass man schon das Gefühl hatte, dass vor allem auch die Stärke des Teams Sky zu deren Siegen geholfen hat. Zumindest war es einigermaßen spannend ob denn nicht doch jemand mal ne Minute auf Sky rausfahren und somit die Tour gewinnen kann.
Pogacar hat aber ne ganz andere Qualität, braucht kein Team, nicht letztes und auch nicht dieses Jahr. Während der Rest der Elite sich quält fährt er los, dreht sich erstmal gemütlich um und schaut was die anderen machen, und fährt dann lachend auf dem großen Kettenblatt weg. Auch noch 30km vor dem Ziel und dann gleich mal 3 Minuten raus gefahren, was man so gefühlt zum letzten mal bei Floyd Landis gesehen hat.
Und am nächsten Tag, wo Weltklasse-Fahrer wie Quintana am Ende des Tages explodieren, wo es so eklig ist, dass Leute wie Alaphilippe anhalten um sich Handschuhe anziehen zu lassen weil sie das mit den verfrorenen Fingern gar nicht mehr hin bekommen. Wo andere Bergfaher wie Nibali oder Buchmann auch mal gegen die Karenzzeit fahren. Da Büßen alle die am Vortag investiert haben. Außer Pogacar, der legt das große Blatt auf und lässt die Konkurrenz erneut mühelos wie Schüler aussehen.
Dazu hat er mal eben im Zeitfahren alle deklassiert. In einer Disziplin, wo man jahrelang trainieren muss um weltklasse zu sein, wo man im Windkanal Aerodynamik, Sitzposition etc. optimiert und seine gesamte Athletik auf diese Spezialdisziplin ausrichtet. Dort kommt der 60kg Bergfloh und pulverisiert die Zeiten der Welt- und Europmeister.
Da kann einfach niemand mehr an den Weihnachtsmann glauben.
Das einzige was man ihm zu Gute halten kann ist, dass seine Konkurenz dieses Jahr nunmal vergleichsweise sehr schwach ist und Pogacar einfach das Glück hatte, dass er nicht gestürzt ist. Roglic und Thomas sind gestürzt und dadurch nicht in Topform. Lopez durch Sturz sogar raus, ebenso hat sich Landa beim Giro kaputt gestürzt und konnte gar nicht antreten. Carapaz hat den Giro in den Beinen, Bernal ist erst gar nicht dabei. Porte auch nur als Helfer. Uran, Lutsenko, Mas, Valverde, Quintana, Keldermann usw. sind einfach eine Klasse schlechter.
Andererseits hat Pogacar in seinem Umfeld halt auch noch Leute die ganz große Dopingvergangenheiten haben, die zentrale Figuren der Operation Aderlass waren und nur aus Mangel an Beweisen nicht verurteilt wurden. Corona hat bestimmt auch dafür gesorgt, dass eher wenig kontrolliert wurde.
Ironischerweise hatte Eurosport vorgestern nach der Etappe en Team-Arzt von Pogacar interviewt und der sagte, dass Pogacar halt das Talent seiner Generation sei. Man fragt sich ob der Arzt das Sportliche beurteilt oder den Körper? Und wieso Eurosport eigentlich den Arzt interviewt?