Das Lied von angenehmen Gesprächen, Sport, Zwangsernährung und einer unheimlichen Begegnung.
Die folgenden Zeilen enthalten keine schlimmen Nachrichten.
Ich dachte, dieser erste Hinweis ist ganz hilfreich.
Ach und wenn das hier jemand trennen will, nur zu, ich will ja hier nicht der Alleinunterhalter in diesem Bereich sein.
Gestern wurde mir die zweite Infusionstherapie verpasst. Anstatt auf eine grüne Wiese mit Kühen, habe ich auf Gebäude gesehen. Dafür waren wir in unter 10 Minuten da und so eine grüne Wiese wird schliesslich auch schnell mal langweilig. Ich hatte schon das eine oder andere Mal etwas Pech, gestern mussten sie zwei Mal das Besteck wechseln, weil Luft gezogen wurde. Das wurde ihnen dann zu heikel und es wurde getauscht (noch nie bei ihr passiert). Es wäre purer Sarkasmus, wenn der Apparat, der dir helfen soll, dich umbringt. Danach lief alles durch und die nächsten 48 Stunden läuft die Suppe wieder zu Hause durch. Ich habe eine neue Bauchtasche erhalten, die sieht schöner aus und man kann sie nicht nicht von einer Touristen Bauchtasche unterscheiden.
Angenehme Gespräche
Meine Onkologin ist im Sommerurlaub, für eine Woche. Ich frage sie nach ihrer Rückkehr, wie es um ihre Work-Life-Balance aussieht.
Ihre Vertretung war sehr sympathisch, da hat die Chemie sofort gepasst. Vielleicht auch aufgrund ihres Alters. Sie ist 32 Jahre alt und hat bis 26 studiert. Sie ist als Oberärztin in unsere Stadt gekommen und macht hier noch ein Jahr für die Onkologie. Eingestuft wurde sie als Assistenzärztin im zweiten Jahr. Auch sonst haben wir uns super unterhalten, über Ärztemangel, über Mitarbeitende, die den Beruf aufgeben, darüber dass sie in der Pharma einen super Job kriegen könnte, über ihre Familienplanung. Ach und noch ein wenig über meine Blutwerte. Die sehen besser aus, als vor der ersten Chemo. Ein einziger Wert ist um 0.01 erhöht, der ist nicht relevant und die wichtigsten Werte sind top. Ich habe meine Blutgruppe (kenne ich bis heute nicht), meinen Vitamin C und D Wert nachbestellt. Vitamin D kam schnell rein und ist im idealen Bereich. Ich supplementierte das ja schon seit Jahren mit rund 7’000 IE am Tag, da ich die Sonne so gut es geht meide. Ich hätte den Wert lieber noch etwas höher, die Einnahme wird also für eine gewisse Zeit erhöht. Vitamin C und Blutgruppe habe ich noch nicht.
Angenehm war auch das Gespräch mit dem Deutschen Ehepaar im Therapierraum. Da stehen immer zwei von diesen Liegestühlen. In meiner Naivität habe ich mir gedacht, warum sie denn ein Kopftuch trägt, die Haare sollen doch nicht ausfallen. Nun vom Brustkrebs, der weg war zum neuen Krebs, der bei ihr so ziemlich überall ist inkl. im Kopf, da wird halt noch ganz anderes gemacht. Ihre positive Einstellung war sehr inspirierend.
Auch die Gespräche mit der Pflege während dieser zwei Stunden war erneut sehr angenehm. Die Onkologie ist ein sensibler Bereich und die Mitarbeitenden werden im Umgang mit den Patientinnen und Patienten bestimmt geschult. Doch Empathie kannst du nicht lernen und das Thema Nähe und Distanz stelle ich mir schwierig vor.
Sport
Ich hatte zwei Wochen Verbot wegen der OP. Also Beine hätte ich etwas früher machen können, doch mit der Chemo Pumpe ins Gym war jetzt nicht sehr motivierend. Hätte man mir vor langer Zeit gesagt, das ich mal einer leitenden Ärztin ein Email schreibe, ob ich nicht einen Tag früher zum Sport darf, da am Tag X die zweite Chemo beginnt, nun ja. Wir haben uns dann auch noch über die Intensität ausgetauscht. Also bin ich am Tag vor der zweiten Chemo ins Gym und habe Beine, Waden, Bauch trainiert. Ohne Squats, denn ich soll den Arm noch nicht heben. Eine Mitarbeiterin, mit der ich mich oft unterhalte, hat mir gesagt, dass sie mich schon lange nicht mehr gesehen hat. Ich muss ein wenig aufpassen, was ich in Zukunft antworte, denn für mich ist es schon Routine, während ich manche Menschen damit überfordere. „Hattest du Ferien?“ „Nein, Krebsbefund und morgen die zweite Chemo“. Das hat sie emotional kurz geschüttelt, was ich so natürlich nicht wollte. Auch meine Friseurin, der ich das erzählt habe und die ihre Mutter Ende Juni wegen Krebs verloren hat. Ich war nicht in der Lage, mit ihr über ihre Mutter zu sprechen, weil ich wohl noch in meinem eigenen Tunnel bin. Um zum Sport zurückzukommen, das hat mir enorm gut getan, mich endlich wieder körperlich anzustrengen. Meinen vierer Split an fünf Tagen kann ich während der Chemo natürlich vergessen. Den ziehe ich in der Zeit ohne Chemo durch. Vor der Chemo darf ich nicht, da ein Reiz einen Tag vor der Infusion sich negativ auswirken kann. Da warte ich also immer bis die drei Tage durch sind und mache dann sowas wie Oberkörper und dann Unterkörper. Wenn du um dein Leben kämpfst, bekommen Muskelaufbau oder Muskelerhalt sowieso eine andere Bedeutung.
Zwangsernährung
Ich war als Kind dünn, als Teenager dünn und auch als Couch-Potato und Skinny Fat sah ich von aussen schmal aus. Und ich werde im Leben keine 50er Arme haben oder sehr breit sein. Das war und ist ok und hat den Vorteil, dass ich schon immer schnell abnehmen konnte, wenn ich wollte. So wie die 20 kg vor ein paar Jahren, da hatte ich keine Probleme. Das bedeutet aber auch, dass ich Schwierigkeiten habe, zuzunehmen, wenn ich nicht lauter Schrott essen will. Und in den letzten Jahren ist Muskulatur dazugekommen, die ebenfalls Kalorien verbrennt. Seit dem Befund habe ich 4 kg abgenommen. Ein guter Teil wird Wasser sein, das auch nicht mehr in der Muskulatur ist. Dann ein wenig Muskelverlust, was schnell wieder da wäre und wohl eher wenig Fett. Ich muss mich aktuell zwingen, genügend zu essen, damit ich nicht weiter abnehme. Das funktioniert ganz gut, doch gestern nach der Chemo habe ich mir eine Tüte Chips reingezimmert, was jetzt nicht die ideale Ernährung ist, egal ob mit oder ohne dem Ding in mir.
Eine unheimliche Begegnung
Der Ablauf einer solchen Infusion ist immer gleich. Am Empfang anmelden, in den Wartebereich setzen, dann Blutabgabe, wieder Wartebereich, Sprechstunde, dann einen Stock höher, Wartebereich und von da zur Therapie.
Wir sitzen also nach der ersten Anmeldung im Wartebereich. Da geht der Lift auf und ich sehe eine Person aus unserer Firma, die seit vielen Jahren kenne und mit der ich schon oft zusammengearbeitet habe. Nachdem sich die Person angemeldet hatte, ist sie zu uns gekommen und sie hat schon von weitem geprüft, ob ich oder ob meine Frau das Band um das Handgelenk trägt. Der Schock war gegenseitig, man erwartet einfach keine bekannten Menschen da. Kurzer Austausch und das Angebot, dass ich mich jederzeit melden kann, da die Person schon ein paar Jahre mehr Routine hat. Alle drei Wochen ist diese Person da, da wurde mir bewusst, was auf mich zukommen kann. Also so weit muss ich ja erst mal kommen, doch ich glaube daran. Dass das kein Beinbruch ist, der nur eine Nachkontrolle braucht war mir schon bewusst. Doch nach 10 Jahren nach wie vor alle drei Wochen da. Wenn’s hilft ist das zu vernachlässigen, für mich war es neu, auch wenn das alles sehr individuell ist.
Uff ich wollte nur ein paar Zeilen schreiben. Wenn das voller Schreibfehler ist oder sich komisch liest, ich habe das tatsächlich alles in einem Rutsch geschrieben.