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Sea of Stars Platin-Trophäe #59

Plattform: PS5 | Entwickler: Sabotage Studio | Spielzeit: 43 Stunden

Bereits letztes Jahr erschien mit Chained Echoes ein RPG, welches die Magie japanischer Klassiker wie Final Fantasy, Xenogears und Chrono Trigger einfangen wollte – und meiner Meinung nach hat das extrem gut geklappt. Das entzückende Spiel aus Deutschland von One-Man-Army Matthias Linda belegte Platz 4 meiner persönlichen Topliste. Top 3 der Herzen.
Sea of Stars versucht dieses Kunststück nun zu wiederholen. Auch hier haben wir es mit einem rundenbasierten RPG in Pixeloptik zu tun, das sich nicht scheut, seine Inspirationen offenzulegen. Wie gut ist das erste RPG der „The Messenger“-Macher? Kann es dem Vergleich mit Chained Echoes standhalten? Hier geht’s weiter. :arrow_down:

The Good

  • Augenschmaus: Wenn es da draußen ein Spiel mit einem schöneren Pixel-Stil geben soll, dann zeigt es mir bitte. Bis dahin halte ich Sea of Stars für das schönste Spiel dieser Art. Eine Pracht! Einfach ein ausgezeichneter 2D-Stil mit subtilen 3D-Elementen, wie z.B. die spektakulären Lichteffekte, die man als „Krieger der Sonnenwende“ sogar selbst steuern kann. Hält man L2 oder R2 gedrückt, kann man die Tageszeit vor- und zurückspulen, was den verschiedenen Orten neue Stimmungen verleiht.
    Dazu gibt es viele abwechslungsreiche Landschaften inkl. einer wunderbaren Oberwelt, sowie Charakter- und Monsterdesigns zu bewundern. Screenshots können dem gar nicht komplett gerecht werden, weil auch die unglaubliche Menge an tollen Animationen einen großen Teil zum Gesamtkunstwerk beiträgt.

  • Ohrenschmaus: Hier bin ich nicht ganz so euphorisiert wie beim visuellen Part, aber auch das Audio ist zu loben. Der Soundtrack bietet gute (J)RPG-Kost, mit ein paar echten Highlights wie das Boss-Theme, das noch in ein paar thematisch passenden Varianten daherkommt, die auch sehr cool sind.
    Zwölf der insgesamt 206 Stücke des offiziellen Soundtracks wurden von Yasunori Mitsuda beigetragen, der zuvor u.a. für Chrono Trigger komponierte.

  • Kämpfe: Sea of Stars hat ein spaßiges rundenbasiertes Kampfsystem, bei dem man mit drei Charakteren gleichzeitig kämpft, wobei man bis zu drei weitere Charaktere in Reserve hat, die man kostenlos während des Zuges einwechseln kann – und sollte. Denn jeder Charakter greift mit einem eigenen Element an, das je nach Situation gefragt sein könnte. Beispielsweise wenn ein Gegner einen Zauber wirken möchte. Dann werden nämlich Icons auf dem Bildschirm angezeigt, die bestimmte Angriffstypen und Elemente darstellen. Schafft man es, mit den richtigen Attacken anzugreifen und die Icons zu zerstören, bevor der Counter auf null geht (-1 pro Zug), kann man den Zauber abschwächen oder sogar, wenn man alle zerstört hat, komplett abbrechen. Das sind manchmal schon kleine Rätselaufgaben, die ein wenig Kreativität und Taktik erfordern.
    Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Kampfes ist Timing, denn sowohl im Angriff als auch in der Defensive kann man mit einem gut platzierten Knopfdruck effektiver agieren. Drückt man im richtigen Moment seines eigenen Angriffes, so verursacht man etwas mehr schaden und kann unter Umständen gleich zwei Icons (oder noch mehr) eines gegnerischen Zaubers zerstören, in der Defensive nimmt man logischerweise weniger Schaden, wenn man den genauen Zeitpunkt des Einschlags erwischt. Je nach Angriffsanimation ist das mal leichter und mal schwieriger.
    Es gibt noch ein paar weitere Mechaniken, die von Belang sind (u.a. fantastisch aussehende ultimative Attacken), aber das sollte an dieser Stelle reichen. Da ein gefallener Char nur drei Runden im K.O.-Zustand verweilt, ehe er automatisch wiederbelebt wird, sind die Kämpfe zumeist sehr leicht zu überstehen. Erst bei optionalen Kämpfen wird man mehr gefordert.
    Übrigens gibt es keine klassischen Zufallskämpfe, bei denen man alle paar Schritte zum Kampf gezwungen wird. Wie bei Chrono Trigger sind die Gegner schon außerhalb der Kämpfe zu sehen und man kann ihnen in einigen Situationen entgehen.
    Alles gut und unterhaltsam, aber wenn Sea of Stars bei der Grafik 1:0 in Führung gegangen ist, so kann Chained Echoes in diesem Bereich ausgleichen. Das Kampfsystem des letztjährigen Retro-RPGs hat mir dann doch nochmal ein gutes Stück besser gefallen. Das dortige Gimmick (Overdrive) war etwas ausgefallener und durch die vielen verschiedenen Statuseffekte war noch mehr Taktik gefragt. Das soll jetzt aber auch kein ständiger Vergleich zwischen diesen beiden Spielen werden, von daher lassen wir es. Erstmal.

  • Looten & Leveln: Das Item-System wurde simpel gehalten. Die einzigen Verbrauchsgegenstände, die man sammeln kann, sind Essensgerichte, die HP, MP oder den K.O.-Zustand heilen. Davon kann man immer nur maximal zehn bei sich tragen, was die Kämpfe theoretisch etwas schwieriger macht. Darüber hinaus kann man vor allem Ressourcen sammeln, die man dann wiederum nutzen kann, um seine eigenen Essensrationen an Lagerfeuern herzustellen, was mit schönen Bildern des Zubereitungsprozesses einhergeht.
    Sehr gut gefallen haben mir die vielen verschiedenen Waffen, Rüstungen, Accessoires und Relikte, die man in der Welt finden konnte. Da gab es sehr viele Gegenstände, die im Kampf und bei den Relikten sogar außerhalb des Kampfes nützliche Effekte freischalten.
    Spannend fand ich, wie knapp das Geld über fast die gesamte Spielzeit war. Für viele könnte das ein negativer Punkt sein, ich fand es aber ziemlich geil, dass ich für neue Items immer wieder alte Gegenstände und Ressourcen verkaufen musste. Das habe ich deutlich lieber, als Millionen auf dem Konto zu haben, mit denen ich nicht wirklich etwas anfangen kann.
    Das Level-System ist recht vereinfacht, da sich alle Charaktere eine Gruppenstufe teilen und man nicht jeden Charakter einzeln leveln muss. Beim Stufenaufstieg steigen die Stats der Chars automatisch, zusätzlich kann man für jeden Char aber noch einen Stat wählen, der noch ein bisschen mehr verbessert werden soll. Level Grinding ist wohl in der Theorie möglich, durch die Anzahl der ausgeschütteten Erfahrungspunkte wird aber schnell klar, dass es nicht vorgesehen ist. Nötig ist es auch nicht, da man eigentlich immer das Gruppenlevel hat, das in dem Moment erforderlich ist, weil man nicht annähernd jedem Kampf ausweichen kann und so automatisch levelt. In der Hinsicht ist das Spiel ziemlich kuratiert.
    Ich fand diese Aspekte alle sehr gut. An ein paar Stellen wurde verschlankt, an den richtigen Stellen gab es aber noch genug Möglichkeiten, seine Charaktere etwas zu individualisieren.

  • Dungeons und Erkundung: Die Dungeons fand ich von der Länge optimal und recht abwechslungsreich, was Aussehen, Aufbau und Mechaniken angeht. Immer mal wieder gibt es kleine Rätsel-Einlagen, die allerdings nicht viel Gehirnschmalz erfordern. Für mich ziemlich genau die richtige Schwierigkeitsstufe, so dass man etwas zu tun hat, ohne dass es anfängt zu nerven.
    Besonders cool ist es, wenn man innerhalb eines Dungeons ein neues Tool freischaltet (z.B. einen Enterhaken), mit dem man dann an bisher unerreichbare Orte kommt, auch außerhalb des Dungeons. Metroidvania-Style. Davon hätte es gerne noch ein bis zwei mehr geben können.
    Die Erkundung innerhalb und außerhalb der Dungeons ist nicht ausufernd, aber es gibt doch immer wieder ein paar versteckte Stellen, die es sich aufgrund des guten Loots (neben den zuvor angesprochenen Waffen und Rüstungsteilen gibt es auch Kombo-Angriffe zu finden) zu untersuchen lohnt.

  • Optionale Aktivitäten: Ich glaube, für viele Leute sind solche Sachen nicht wirklich von Bedeutung, ich freue mich immer sehr, wenn es neben der Hauptstory noch weitere Dinge zu tun gibt. Neben einem simplen Angel-Minispiel, dem Aufbau einer eigenen Siedlung und charakterspezifischen Sidequests, die in herausfordernden Geheimbossen mit ultimativen Waffen als Belohnung gipfeln, gibt es vor allem ein Minispiel, das es in meiner persönlichen Topliste in dieser Kategorie weit nach oben geschafft hat: „Räder“ (engl.: „Wheels“). Ich werde es nicht im Detail erklären, aber ich finde, es ist wirklich ein spaßiges Spiel, mit einer gesunden Mischung aus Glück und Taktik. Und man steuert es per Slotmachine, verdammt nochmal! Fantastisch! Es hat auch ultra befriedigende Soundeffekte. Zunächst ist Räder etwas kompliziert zu verstehen, aber nach ein paar Runden flutscht es und die Suche nach ebenbürtigen Gegnern wurde direkt zu einer meiner Hauptmotivationen, die Welt zu erkunden.

The Mixed

Diese Kategorie führe ich in meine Reviews ein, weil eben nicht immer alles nur schwarz oder weiß ist. Mehr Raum für Zwischentöne.

  • Story: Die Krieger der Sonnenwende müssen mit der Kraft von Sonne und Mond den Alchemisten „Fleshmancer“ aufhalten, der böse Kreaturen erschafft und die Welt ins Chaos stürzen droht. Das klingt nicht nur nach einer ziemlichen Standard-JRPG-Geschichte, sondern ist es auch.
    Vor allem der Anfang ist sehr zäh, weil dort viel erklärt wird und man wenig zum Spielen kommt. Später wird die Story dann schon noch interessanter und natürlich gibt es auch den ein oder anderen Twist. Insgesamt ist das alles sehr okay, mehr aber auch nicht.
    Immerhin gibt es einen Punkt in der Hauptgeschichte, den ich als „Magic Moment“ bezeichnen würde: wenn man zum ersten Mal im titelgebenden Sternenmeer segelt, um einen anderen Planeten zu bereisen, verwandelt sich die Welt für kurze Zeit komplett in 3D. Das kam unerwartet und war audiovisuell schon richtig stark.

  • Timings: Kommen wir nochmal zu den Kämpfen, weil dieser spezielle Aspekt mich doch immer mal wieder sehr gewurmt hat. Von der Idee sind die Timing-basierten Aktionen eine schöne Sache und in den meisten Situationen sind sie auch gut durchführbar, aber bei einigen meiner Techniken habe ich jetzt immer noch keine Ahnung, wann ich genau drücken muss. Viele Animationen sind für mich dahingehend absolut nicht zu lesen. Besonders eine ganz bestimmte Technik, die eigentlich nur richtig nützlich ist, wenn man das Timing-Fenster erwischt, habe ich reihenweise in den Sand gesetzt. Das war ultra frustrierend, weil die Gegner dadurch ungestört zaubern konnten. Skill issue? Pah. Das Spiel ist schuld.

The Bad

  • Charaktere: Mein einziger wirklich großer Kritikpunkt, aber der fällt bei so einem Spiel natürlich schon ziemlich ins Gewicht. Die meisten Charaktere der eigenen Truppe und vor allem die beiden Hauptprotagonisten sind sehr, sehr farblos. Ich kann eigentlich gar nicht glauben, wie langweilig die beiden „Krieger der Sonnenwende“ sind. Keine Charakterentwicklung und völlig austauschbar. Ohne zu übertreiben, man könnte die gesprochenen Texte der beiden wahllos durcheinander mischen und es würde nicht auffallen. Die anderen Charaktere haben zumindest so etwas wie Persönlichkeiten, aber auch da wartet man vergeblich auf Nuancen. Bei den NPCs gibt es schon ein paar gute und lustige Charaktere, wie beispielsweise, ähm, Keenathan, aber von den Hauptcharakteren und deren Beziehungen untereinander bin ich schon enttäuscht.

The Nitpick

Im Spiel gibt es einige Momente in der Geschichte, in denen Charaktere für eine gewisse Zeit nicht verfügbar sind. Das ist okay. Was nicht okay ist, ist, dass sie all ihre Rüstungsteile mitnehmen und sie für die Dauer ihrer Abwesenheit für andere Charaktere blockieren. Es ist echt geil, wenn man einem solchen Charakter sein bestes einzigartiges Accessoire gegeben hat…

Charaktere, die sich mit Ausrüstungsgegenständen verpissen: :fu:

The Score

Ich habe Sea of Stars wirklich gerne gespielt, was vor allem an der unglaublich schönen Optik, den meist spaßigen Kämpfen, der Erkundung der Welt und fucking Räder gelegen hat. Mit diesen Aspekten war ich sehr zufrieden. Schwächen zeigt das Spiel im Story-Department, vor allem aber die Hauptcharaktere sind wirklich schwach. Hätte man da mehr rausgeholt, wäre aus einem sehr guten Spiel ein grandioses geworden. Aber wie gesagt, für mich dennoch Prädikat „sehr gut“, weil ich letztlich mit solchen Schwächen leben kann, wenn mir drumherum alles gefällt. Wer einen großen Wert auf die Narrative legt, wird vermutlich nicht auf meinen Score kommen.

8,75/10

Zum Abschluss möchte ich auflösen, wer meiner Meinung nach das herbeigeredete Duell zwischen Sea of Stars und Chained Echoes gewonnen hat. Es ist wirklich sehr eng, aber insgesamt halte ich Chained Echoes für das etwas bessere Spiel. Story, Kämpfe, Humor und einige QoL-Features geben für mich den Ausschlag. Aber es sind beides klasse Spiele und Fans des Genres können froh sein, dass sie existieren. Viel Glück an „Threads of Time“ von Riyo Games, die den Threepeat versuchen. :ronaldo:

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