Zuletzt durchgespielt - Thread

Ich habe einen Monat länger als Cyrus gebraucht, um Final Fantasy XVI durchzuspielen, und wenn man unsere Reviews vergleicht, wird man auch verstehen, warum das so ist. :usad:

Final Fantasy XVI

Plattform: PS5 | Entwickler: Square Enix | Spielzeit: 73 Stunden

Final Fantasy ist mein Lieblings-Videospiel-Franchise. Die 1987 von Hironobu Sakaguchi ins Leben gerufene Reihe beheimatet u.a. meine zwei absoluten Lieblingsspiele FF IX und FF VII. Früher kamen neue Hauptteile noch fast im Jahrestakt raus, heutzutage muss man da schon deutlich mehr Geduld aufbringen. Knapp sieben Jahre nach dem kontroversen 15. Teil, erfindet sich Final Fantasy mal wieder neu und bringt mit Final Fantasy XVI ein Spiel, das man eher als Character-Action-Game, als als klassisches JRPG bezeichnen würde. Ein guter Schritt? Wir gehen rein!

The Good

  • Kämpfe: Das Action-Kampfsystem wurde von Ryota Suzuki entwickelt, der zuvor bei Capcom die Kämpfe für „Dragon’s Dogma“, „Monster Hunter“ und zuletzt „Devil May Cry 5“ designt hat. Das ist auch mehr als deutlich. Gerade der DMC5-Vergleich wird häufig gezogen, wobei FF XVI ein wenig simpler zu steuern ist, wie ich mir hab sagen lassen (habe DMC selbst nie gespielt.) Die Kämpfe haben mir durchweg gut gefallen, auch wenn man seine Taktik leider nie anpassen muss und eine klassische Party fehlt. Vor allem wenn (Mini-)Bosse die Bühne betreten haben, kann man seine besten Kombinationen auspacken, was echt Spaß macht.
    Was ich besonders positiv herausstellen muss, sind die gut lesbaren Attacken der Gegner. Trotz oftmals vieler Effekte auf dem Bildschirm (zu viele!), hat man immer eine gute Idee, was der Gegenüber als nächstes macht. Dadurch kann man den Angriffen in schöner Regelmäßigkeit perfekt ausweichen und kontern, oder gar zur Parade ansetzen. Vielleicht aber auch ein Grund dafür, dass das Spiel zu leicht ist. Zwei bis drei Mal war es echt knapp, aber ich darf verkünden: Ich bin nicht ein Mal gestorben. 0. Obwohl ich auch alle optionalen Jagdziele gemacht habe. „S-Rank“ my ass.

  • Spektakel: Viele der Zwischensequenzen und Bosskämpfe gehören ohne Wenn und Aber zu den spektakulärsten Momenten der Videospielgeschichte. Die Größenverhältnisse, die bei den Eikon-Kämpfen mit Titan, Bahamut & Co. zur Schau gestellt werden, sind einfach nur beeindruckend. Hier spielt FF XVI in einer Liga mit Spielen wie God of War und Shadow of the Colossus.

  • Story: Nach Final Fantasy XV ist es erfrischend, wieder ein FF zu haben, welches auf der Disk eine komplette Story hat, die recht leicht verständlich ist und Sinn ergibt, ohne dass man zusätzlich Film, Anime, Spin-Off-Spiel und DLC konsumieren muss. :ugly:
    Zwar gibt es auch hier ein paar Storyfäden, die ins Leere laufen (die ich wirklich gerne erklärt bekommen hätte…), im Großen und Ganzen ist das aber eine gut erzählte Geschichte mit einigen spannenden Momenten. Der Beginn ist noch ziemlich bodenständig, später kommen die JRPG-typischen Absurditäten ins Spiel, was ich persönlich begrüße.

  • Charaktere und Voice Acting: Das Ensemble der wichtigsten Charaktere ist definitiv eine Stärke des Spiels. Ob die eigenen Leute rund um Clive, Jill und Cid, oder die Gegenseite mit Benedikta, Hugo, Barnabas & Co., alle sind durch die Bank interessante Charaktere, die auf Englisch super gut synchronisiert wurden.
    Da es in der Geschichte viel um Krieg und anderweitige Zerstörung geht, sollte man sich allerdings nicht zu sehr an die Charaktere gewöhnen. Das ein oder andere Ableben ist meiner Meinung nach zu früh in der Geschichte, weswegen nicht jede*r sein/ihr volles Potenzial ausschöpfen konnte.

  • Active Time Lore: Ein Feature der Marke „Sollte in jedes Spiel integriert werden“. Mit dem ATL kann man zu jeder Zeit das Spiel anhalten und kurze Infos zu den Personen, Orten und Fraktionen lesen, die auf dem Bildschirm sind, im Gespräch erwähnt werden oder generell aktuell Relevanz haben. Sogar in den Zwischensequenzen kann man das Touchpad gedrückt halten und schon erscheinen bis zu sechs Themen, die man anklicken und so altes Wissen wieder auffrischen kann. Gerade in einem Spiel wie diesem, in dem es viele verschiedene wichtige Personen und Fraktionen gibt, ist das sehr hilfreich, um den Überblick zu behalten.
    Einen extra Pluspunkt gibt es für den Namen des Features, da es an das „Active Time Event“ von Final Fantasy IX angelehnt ist.

  • Musik: Fast überflüssig zu erwähnen, da FF-Soundtracks eigentlich nie zu enttäuschen wissen. Hier hat Masayoshi Soken und Team eine schöne Duftmarke gesetzt, mit einigen Tracks, die ich auch über Jahre hinweg noch hören werde. Gerade die spektakulären (Eikon-)Kämpfe können durch die Musik noch mehr Hype entfachen, aber auch die ruhigeren Töne, wie „Cid’s Hideaway“, gefallen mir gut.
    Insgesamt gehört der OST nicht zu meinen Top-Alben der Reihe, aber zu meckern habe ich hier nichts.

The Bad

  • Performance: Letztes Jahr verkündeten die Entwickler vollmundig, dass das Spiel fertig sei und nur noch der technische Feinschliff anstehe. Auf ein Day-One-Patch würde demzufolge verzichtet werden. Tja, Pustekuchen. Da mussten sie zurückrudern. Der sogenannte „Performance“-Modus schafft keine stabilen 60fps bei 1080p hochskaliert auf 1440p. Gerade in bewohnten Umgebungen gibt es immer mal wieder Framedrops. Im Kampf ist es dagegen recht stabil, da wird die Auflösung aber auch noch weiter runtergefahren. Das ist… nicht optimal.
    Mich hat das nach ein paar Stunden so gestört, dass ich auf den Grafikmodus mit hochskalierten 4K mit stabilen 30fps umgestellt habe. Das war für mich dann tatsächlich wesentlich besser, trotzdem ist es enttäuschend.

  • Fehlende RPG-Elemente: Oh boy. „Ist das noch Final Fantasy“ wird spätestens seit FF VII bei fast jedem neuen Spiel der Reihe gefragt und ich lese das normalerweise und sage: „Ja, verdammt. Ist es.“ Ob Setting oder Kampfsysteme, FF probiert immer neue Sachen aus. Mal sind es kleine, mal große Änderungen. Cool mit mir. Meines Wissens nach ist ein Haupt-FF aber noch nie so weit vom klassischen RPG weggekommen, wie XVI es tut. Wenn ein God of War: Ragnarök mehr RPG-Elemente hat, als ein neues FF, dann läuft da in meinen Augen doch was falsch.
    Ich rede nicht von krassen Dialogoptionen oder so, was sowieso nie eine große Rolle in der Reihe gespielt hat, ich meine ganz simple Dinge wie (elementare) Schwachpunkte der Gegner, Statuseffekte (Buffs/Debuffs), ein spannendes System zum Verbessern der Charaktere à la Materia, Sphäro- oder Lizenzbrett, Rüstungen und Waffen, die sich deutlich voneinander unterscheiden und Pros und Cons haben (nicht nur jedes Mal wieder +10 Attacke und ab dafür), und letzten Endes auch eine richtige Party, die man sich im Optimalfall selbst zusammenstellen kann. Das alles gibt es nicht und wenn doch, dann nur in der Ultra-Lite-Variante. Das ist enttäuschend für mich.
    „Ist das noch Final Fantasy?“, Ja, … I guess. Aber hoffentlich eben nur XVI, und nicht XVII und was danach kommt (XVIII).

  • Erkundung: Hier kann ich erstmal direkt am vorherigen Punkt anschließen, denn wenn diese RPG-Elemente fehlen, dann ist es schwierig bis unmöglich, lohnenswertes Loot zu integrieren. Das Unmögliche wurde hier nicht möglich gemacht, soviel kann ich verraten. Die erste Materia, die ich im FF VII Remake aufgehoben habe (TP-Boost übrigens) war spannender und nützlicher als alles, was ich hier in 70+ Stunden gefunden habe. Hier wird man allen voran mit Ressourcen zugeballert, mit denen man nichts weiter anstellen kann, als irgendwann die übersimplifizierte Schmiede anzuwerfen und einen seiner vier (:_:) Werte zu steigern. Von manchen Ressourcen hatte ich am Ende ungelogen um die 2000 über, weil man gar nicht so viel schmieden kann, wie man kotz–… Pardon. Weil man gar nicht so viel schmieden kann.
    Leider lohnt es sich auch unabhängig vom Loot nicht, die Welt zu erkunden, die zwar an einigen Stellen schöne Panoramen bietet (die Königreiche mit ihren riesigen Kristallen sind Hingucker), mir aber insgesamt zu eintönig ist; auch, was die Farbpalette angeht. Bis auf die Jagdziele, gibt es sonst nichts zu entdecken. Keine optionalen Dungeons oder ähnliche Späße. Am besten ist wirklich, wenn man immer direkt und ohne Abstecher zur nächsten Mission läuft. Entdecker wie ich kommen hier nicht auf ihre Kosten.

  • Sidequests und Downtime: Ein gutes RPG hat natürlich Sidequests. Und FF XVI hat sie auch. Dass man hier mit keinem guten Loot rechnen kann, hatte ich etabliert. Aber ich weiß ja nun auch nicht mehr, was ich bei „The Witcher III“ für ein Item bekommen habe, als ich den verfluchten Turm untersucht hatte. Es geht um die Geschichten. Und FF XVI hat auch etwa zwei Handvoll Nebengeschichten, die durchaus nicht schlecht sind. Das Problem ist, dass man weitere sechs Hände braucht, um die restlichen Sidequests zu zählen. Die vielen „nicht-guten Nebenaufgaben“, wie ich sie nenne, sind nicht gut (daher der Name). Sie bringen einem die Welt etwas näher, aber in der Regel sind es klassische Fetch-Quests. An dieser Stelle merkt man am stärksten, dass die Entwickler die letzten zehn Jahre an einem MMORPG gearbeitet haben. Warum muss man ein Spiel eigentlich immer so unnötig strecken? Es schadet dem Spiel. Gibt es wirklich Leute, die sich darüber beschweren würden, wenn ein 100%-File eines FFs aus 40-50 Stunden „All Killer, No Filler“ bestehen würde, statt 70 Stunden, die sich wie Kaugummi ziehen? Als Gesellschaft müssen wir da hinkommen, diese Spiele wieder kürzer werden zu lassen. Assassin’s Creed macht es mit Mirage vor.
    Zwischen den angesprochenen spektakulären Momenten, die einem die Socken wegblasen, gibt es viele langsame Momente. Die sind auch nötig, meiner Meinung nach. Immer sofort von Höhepunkt zu Höhepunkt zu hecheln, würde nicht so gut funktionieren. Aber diese Momente müssen ganz sicher nicht so extrem langweilig sein, wie sie es hier überwiegend der Fall ist. Das Versteck, zu dem man nach jeder großen Mission immer und immer wieder zurückkehrt, könnte viel biederer nicht sein. Es ist wunderschön gelegen, aber wenn ich dem Großteil der Leute da zuhöre, frage ich mich echt, warum ich die Welt überhaupt retten soll. Dieses vermaledeite Versteck ist der Hauptgrund, warum ich verhältnismäßig lange für das Durchspielen gebraucht habe. Ich konnte mich oftmals einfach nicht motivieren, überhaupt das Spiel zu starten, weil ich wusste, ich muss jetzt wieder Zeit mit den Pappnasen da verbringen und ständig Hin- und Herlaufen, weil irgendein Spinner meinte, ein Schnellreisepunkt innerhalb des Verstecks sei genug.

  • Tonalität: Was ich dem Spiel gerne zurufen würde, ist: „Mach dich mal locker, ey“. Es ist alles so bierernst. Im ganzen Spiel gab es vielleicht 1-2 lustige Momente. Final Fantasy hat für mich eigentlich immer eine gute Balance zwischen Ernsthaftigkeit und albernen Quatsch. Das hätte ich auch in FF XVI gebraucht. Ich weiß nicht, ob die Kollegen in Japan sich mit diesem Spiel vielleicht zu sehr um den westlichen Markt (Game of Thrones, The Witcher) bemühen wollten und deswegen diese Tonalität gewählt haben, aber falls ja, sollten sie nochmal genauer hinschauen, denn ein Witcher beispielsweise bricht die Ernsthaftigkeit immer wieder auf, sei es durch One Liner, Trunkenbolde oder Gwent. Gott verdammt, wo waren die Minigames in FF XVI?

The Nitpick

Wenn ihr euch fragt, für wen eigentlich immer diese Fotomodi in Videospielen sind: :wink:
Ich weiß einen guten Fotomodus zu schätzen. Und der in Final Fantasy XVI ist eigentlich durchaus gut, wenn da nicht diese eine Sache wäre: Warum startet der Modus immer frontal auf den Charakter gerichtet? Das habe ich glaube ich noch nie gesehen. Was’n Quatsch. Wenn man spielt, ist man doch stets hinter dem Charakter und sieht dann vor sich etwas, das man fotografieren möchte. So muss man die langsame Kamera immer wieder um den ganzen Charakter drehen, um den Winkel zu bekommen, den man haben möchte.

FF XVI Fotomodus

Frontal auf den Charakter gerichteter Fotomodus: :fu:

The Score

Ist mal wieder ne halbe Bibel geworden, ich weiß. :usad:
Erst wollte ich den Score etwas höher ansetzen, weil die Höhepunkte des Spiels wirklich richtig geil sind und mir die Kämpfe eigentlich durchgehend Spaß gemacht haben, aber dann habe ich mich an die vielen, vielen langweiligen und belanglosen Stunden zwischen den Highlights erinnert und letztlich L3+R3 gedrückt…

7,75/10

Die negativen Aspekte wiegen für mich schon ziemlich schwer. Normalerweise sind Cyrus und ich oft auf einer Wellenlänge, in diesem Fall leider nicht.
Und klar, ich kann auch für mich selbst entscheiden, einfach 80% des Spielinhalts zu ignorieren und wirklich nur die Hauptmissionen machen (von denen auch nicht alle Highlights sind), aber das kann ja auch nicht im Sinne des Erfinders sein. Ich möchte ja sehen, was das Spiel alles zu bieten hat. Würde für mich nicht in Frage kommen, bewusst so viel zu skippen.
Für mich ein Spiel mit hohen Höhen, aber zu vielen tiefen Tiefen. Macht insgesamt ein okayes Spiel, welches ich anders als viele der Vorgänger nicht nochmal von A-Z durchspielen werde.

10 „Gefällt mir“