Zuletzt hat mir gob einen Artikel mit alten FC Trikots zukommen lassen, und das brachte mich auf die Idee mal wieder die alten Trikots aus dem Keller zu holen. Da es wahrscheinlich nicht nur mir so geht, dass damit sehr viele Erinnerungen verbunden sind, würden mich Eure Geschichte(n) rund um Eure liebsten Stücke interessieren. Und ich würde dafür nicht den regulären Trikot Thread verwenden wollen, wo die neuesten Erzeugnisse der jeweiligen Marketingabteilungen („wir haben die Skyline der Stadt eingearbeitet, so heimatverbunden ist unsere AG, macht 120€!“) präsentiert werden. Ich mache mal den Anfang:
FCK 1995
Mein erstes Trikot. Klassisch rot mit weißen adidas-Streifen, OKI Sponsor. Die Welt war in Ordnung. Lokalmatador Stefan Kuntz und der tschechische Knipser Pavel Kuka sorgten für entspannte Gesichter, der FCK ist wieder oben dabei und spielt international. Mein Onkel nimmt mich gegen Leverkusen zum ersten Mal mit auf den Betze und zu Weihnachten liegt das Trikot unterm Baum. Das wird mit Stolz wochenlang in der Schule getragen, auch wenn die meisten Klassenkameraden, die urplötzlich alle BVB-Fans geworden sind, dumme Sprüche reißen. Ein Jahr später werden sie ausreichend Grund für Spott und Häme haben.
FCS 1995
Ganz anderes Bild in Saarbrücken, pure Tristesse. Nach dem Bundesligaabstieg 1993 hat man sich mal wieder übernommen, den Wiederaufstieg verpasst und dank katastrophalem Management und unbarmherzigem DFB folgte der Zwangsabstieg in die Regionalliga. 5 düstere Regionalligajahre sollten folgen, aber die Spieler waren zumindest nahbar und somit konnten alle Autogramme auf dem Trikot gesammelt werden. Auch damals schon dabei: Sponsor Victors, die Altenheim- und Hotelkette von „dem Paten“ und Immernoch-Präsident Hartmut Ostermann, der seit den 90ern mit seinem Geld bestimmt, wo der Hase hinläuft.
FCK 1998
Das schönste Trikot aller Zeiten. Würde man auch so urteilen wenn es nicht mit der größten Bundesligasensation und Olaf Marschalls Nasenpflaster verbunden wäre? Egal! Der weiße Kragen, die eingearbeiteten Stickereien (Wappen und Teufel), der Crunchips-Schriftzug. Noch 10 Zentimeter wachsen und Tom kann es bald genau so stolz durch die Schule tragen wie ich damals, siehe Klassenfoto. Der Spott hatte sich nämlich mittlerweile gedreht, überraschend viele rote Trikots waren mittlerweile wieder in den Klassenzimmern zu sehen…
FCS 2001
Die Tristesse ist vorbei! Klaus Toppmöller hat den Laden übernommen und direkt in die zweite Liga geführt. Das neue Selbstvertrauen wird durch sehr breite Längsstreifen symbolisiert, endlich das Bundesliga-Logo auf dem Ärmel, der lokale Baumarkt-Riese verdrängt Victors und die Welt ist schön. Am ersten Spieltag beim Bundesligaabsteiger auf dem Bökelberg direkt ein Unentschieden geholt, im Mittelfeld wirbeln Manni Bender und Karsten Hutwelker, zeitweise winkt der Bundesligaaufstieg. Doch dann erwähnt Hoeneß den verschnupften Daum, dieser verlässt nicht ganz freiwillig Leverkusen, Bayer gräbt an Toppmöller, dieser hat plötzlich keinen Bock mehr, den „schlafenden Riesen“ in die Bundesliga zu führen und geht. Der FC wird nie wieder höher platziert sein als im Herbst 2000.
FCK 2000
Der Größenwahn des FCK symbolisiert in einem Trikot. Nach dem enttäuschenden (!) Ausgang der Saison 98-99, man hat schließlich die CL verpasst und spielt nur UEFA-Cup, wird geklotzt und nicht gekleckert. Im Nachhinein hätte man wahrscheinlich früher erkennen können, dass der eingeschlagene Weg für ein Vereinsumfeld wie in Kaiserslautern nicht zielführend ist, aber damals war man von sich selbst besoffen, selbst amtierende Weltmeister wie Youri Djorkaeff von Inter Mailand auf den Betzenberg holen zu können. So auch ich, und im Sportunterricht hatte mein Lehrer keine Probleme mehr, sich meinen Namen zu merken („TSCHORGA-EFF, komm her!“). Da man sich damals aufm Betze noch ziemlich frei bewegen konnte, hatte ich nach langem Warten vor der Kabine nach dem Spiel gegen Freiburg auch endlich die Unterschrift des Weltstars. Für ein Wort hatte es nicht gereicht. Aber er hatte mir zugenickt. Ehrenmann.
FCS 70er-Jahre
Noch ein besonderer Schatz, den ich aber nur vererbt bekommen habe: Ein FC Trikot aus den goldenen 70er Jahren. Aus Erzählungen früherer Zeiten scheint es eine Zeit voll Milch und Honig gewesen zu sein. Man hält zum einzigen Mal die Klasse in der Bundesliga, den amtierenden Europapokalsieger Bayern München schickt man 6-1 nach Hause. Das Trikot klassisch dünn gestreift mit weißen Ärmeln und Jägermeister-Schriftzug. Im Sommer aber untragbar, der dicke Baumwollstoff als Langarm, wie die Menschen damals Sport treiben konnten in solchen Oberkörper-Saunen bleibt mir ein Rätsel.
Deutschland 1998
Und da wäre ja noch die Nationalmannschaft. In den späten 90ern/frühen 2000ern erlebte man das, was mittlerweile nach der ganzen Schland-Euphorie der Jahre 2006-2016 auch wieder zu beobachten ist: Man erntet höchstens mitleidige Blicke wenn man damals wie heute mit Deutschland-Trikot im Urlaub rumläuft. Die Kroaten fegen uns im Viertelfinale vom Platz, aber an diesem Abend folgte noch ein denkwürdiger Kick auf dem Rasen des Nachbarn, bei dem schon so etwas wie ein Vorläufer des Public Viewings stattfand. Das Flutlicht im Garten sorgte für stundenlangen Asi-Kick, bei dem der ganze Frust des Ausscheidens in Schienbeinwegholzen umgesetzt wurde. Dass das Trikot danach wieder weiß wurde grenzt an ein Wunder, aber…
…es gelang wie man auf dem Foto von 2006 sieht, da meine Frau in den 2000ern dieses mir mittlerweile zu kleine Trikot immer auftrug, wenn die mittlerweile obligatorischen Public Viewings stattfanden. Meine Schwester begnügte sich derweil immer mit den bekannten Schland-Blumenkränzen, durch die die Eventies noch deutlicher hervorgehoben wurden.
Deutschland 2006
Und damit wären wir auch direkt im Jahr 2006, als die Massenhysterie um Schweini, Poldi und Co. ihren Höhepunkt fand. Man muss glaub ich nicht mehr viel zu diesem Sommer sagen, als 4 Wochen am Stück die Sonne scheinte und man dachte, die Deutschlandflagge fröhlich feiern zu können ohne dass zu viel ekliger Nationalismus gefördert wird (hat ja super geklappt wie wir im Jahr 2023 wissen). Alle waren irgendwie glücklicher, entspannter, fröhlicher. In dem Sommer hab ich nur einen Schein gemacht und saß ansonsten in diesem Trikot im Ausländercafé an der Uni und hab Fußball geschaut und Weizen getrunken. 4 Wochen lang. Schöne Zeit. Und dann kam die 119. in Dortmund…
Deutschland 2012
Das schönste Away, das Deutschland je hatte. Punkt. Angelehnt an die Ramba-Zamba-Elf, die 1972 England in Wembley wegfegte. Klassisches Grün in dezenten Querstreifen. Das Trikot war mein Strandtrikot, egal ob Vietnam (wie im Foto), Sri Lanka, Thailand oder Mexiko, es war immer dabei, entsprechend verwaschen ist der Flock. Aber egal, mit diesem Trikot verbinde ich die schönsten Urlaubserinnerungen.
Deutschland 2014
Zum Abschluss noch das Trikot, das wohl verkauft wurde wie kein anderes in Deutschland zuvor. Ich hatte schon das 2014er mit 3 Sternen, aber als dann endlich der lange Weg von Miro, Jogi, Schweini, Poldi und Co. hin zum vierten Stern beendet war und Miro seine Nationalmannschaftskarriere beendete, musste es noch einmal mit 4 Sternen und Miro aufm Rücken sein. Es war der Höhepunkt von DIE MANNSCHAFT ™, danach gings bergab, aber damals, als Millionen in Berlin feierten und man selbst mit ordentlichem Kater die Feiernacht in der Saarbrücker Altstadt vorm inneren Auge Revue passieren ließ, war es unvorstellbar, dass diese Mannschaft mal nicht das Halbfinale eines Turniers erreichen würde. Das Trikot symbolisiert in gewisser Weise also auch die eigene Arroganz, die der Natze und die einer ganzen Nation.