Ich weiß nicht, wer das hier liest - ob das alteingesessene MMOS-Hasen sind oder Leute wie ich, die bis vor kurzem mit MMOs nichts am Hut hatten, ja noch nicht mal haben wollten! Die Gründe dafür dürfte jeder, der genauso denkt, kennen, denn vermutlich gehören MMOs zu den extremsten Love it or hate it-Genres und dementsprechend ist die Liste der Vorurteile auch enorm.
- Scheiß Community mit krasser Lernkurve und wer’s nicht drauf hat, wird gekickt
- MULTIPLAYERZWANG und das, obwohl man doch lieber alleine spielen möchte
- Ewiger Grind - immer und immer wieder die gleiche, stumpfe Kacke machen, bis man endlich das schicke Paar Schuhe gefarmt hat
- Alles ist bunt, flackert, man erkennt nichts und alles wirkt so unglaublich random
- Ein ABOMODELL? Leute, es ist 2021 und ich kann neben Spotify, Netflix, Disney+, Amazon Prime, Sofacoach Steady, Pornhub Premium und Bild Plus doch nicht NOCH einen Dienst bezahlen!
- MMOs sind nur für seltsame Kellerkinder
Zumindest hat das mich immer davon abgehalten, dem Genre eine Chance zu geben. Zu sehr schien mein allgemeines Verständnis von Spielspaß von dem eines MMOs abzuweichen. Wieso habe ich es dann trotzdem probiert?
Es gibt bei Final Fantasy XIV im Grunde zwei Lager, aus denen Spieler kommen. Entweder spielen sie eh MMOs oder sie spielen eh Final Fantasy. Bei mir war Letzteres der Fall und für alles, was mit Mogrys und Chocobos zu tun hat, habe ich einfach einen sweet tooth. Trotzdem war es halt immer dieses „komische Online-Ding“ und im Grunde ja gAr kEiN eChTeR sErIeNtEiL. Zudem habe ich auf einem Ohr mitbekommen, dass der Launch damals eine mittelschwere Katastrophe war und bis heute wirkt die Präsentation im Gegensatz zu AAA-Produktionen ziemlich underwhelming. Alles echte Abturner. Aber man kann ja kostenlos reinschnuppern und ich dachte „Warum nicht?“. Zwischenzeitlich hatte sich das Spiel nämlich rehabilitiert (dazu später mehr) und wurde von der Presse mit jeder weiteren Expansion mehr für sein großartiges Storytelling gefeiert.
DER START
Account angelegt, sich über das seltsame Browserfenster zum Anmelden auf der PS4 gewundert und rein ins Vergnügen. Das Intro: megageil! Die ganzen Fraktionen, Begriffe und Loreschnipsel: verwirrend. Das Menü und all die Tutorialboxen zu Beginn des Spiels: gnaaaaaAAAAAAAARGH! Wenn hier jemand aussteigt, kann ich es verstehen. Und trotzdem will ich Mut machen, alles nach und nach anzugehen und sich nicht überwältigen zu lassen.
Gut, es geht im Prinzip auch etwas ernüchternd weiter. Klar, die Spielwelt ist heimelig, der Soundtrack großartig und Gridania ist mittlerweile für mich wirklich wie ein Zuhause, aber die ersten Quests sind wirklich öde. Ist aber gar nicht so schlimm für alle Neulinge im Genre, denn so lernt man alles von Grund auf. Ich dachte mir zu dem Zeitpunkt noch: „DAS WAR’S?! Ich stehe ja nur rum uns spamme den Action-Button!“, weil ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste, dass es später weitaus komplexer wird mit Movement und Kommandos. Umso besser, dass es am Anfang also etwas schleppend voran geht. So kann man sich ganz auf das Setting einlassen, denn auch wenn das Worldbuilding seine Zeit braucht, ist es in seiner Schlüssigkeit einfach fantastisch.
DAS BESONDERE
Was mich bei der Stange gehalten hat, ist der rote Faden der Geschichte. Ich habe keinen Vergleich zu anderen MMOs, höre aber immer wieder von der Besonderheit, dass bei FFXIV so viel Wert auf die Story gelegt wird. Und lange, lange Zeit ist man auch alleine unterwegs und nimmt andere Spieler wie NPCs wahr. Im ersten Dungeon angekommen dann die Panik: „Andere verlassen sich auf mich! Ich muss abliefern! Was, wenn ich verkacke? Was, wenn die scheiße sind?“ Kurzer Kommentar in den Chat und alles war gut: „Hey, 1st time here - any advice?“
Die Gruppe bleibt stehen und jeder schildert das, worauf es in den nächsten 15 Minuten ankommen wird. Immer mit einem „No worries, we got you!“ dabei. Eine so freundliche und zuvorkommende Community habe ich noch nie in einem Spiel erlebt. Man fühlt sich echt gut aufgehoben und wenn man später selbst besser geworden ist, freut man sich, sein Wissen wiederum weitergeben zu können.
Zur Story noch zwei Punkte und den ersten hasse ich selbst, weil ich es nicht mehr hören kann, aber es ist einfach so, so wahr: Es. Wird. Besser. Die Story des Hauptspiels (2.0) ist in Ordnung und dient eigentlich größtenteils der Orientierung in der Welt. Die Story der Patches bis zu ersten Erweiterung (2.1 - 2.5) sind richtiggehend mies. Sehr viel Sammelei und Rumrennen, Streckungen und uninspiriertes Questdesign. Da muss man durch. Ist aber auch schon ein Insider geworden - die Qualen der 7. Ära. Immerhin spürt man währenddessen, dass sich was Größeres zusammenbraut - das Foreshadowing funktioniert. Und entlädt sich dann ab 3.0 in einer großen, epischen Geschichte um Drachenkriege, Rebellion und den zusammenhängenden Schicksalen fremder Welten. Es ist wahr, was viele sagen: Storymäßig ist FFXIV das Beste, was seit Ewigkeiten aus dem Franchise hervorgegangen ist.
Zweiter Punkt: Erinnert ihr euch daran, dass ich gesagt hatte, der Launch war eine mittelschwere Katastrophe? Was, wenn ich euch sage, dass das Team dieses unfertige Spiel damals weiterhin mit Patches versorgt hat und GLEICHZEITIG an einem kompletten Rebuild gearbeitet hat? Und den Untergang des Ursprungsspiels sogar zum zentralen Punkt in der Lore gemacht hat, sodass aus dem anfänglichen Fehler ein einheitliches Konzept geworden ist? Das ist einfach unglaublich großartig und zeugt von dem Glauben und der Leidenschaft des Teams. Dieses Vertrauen in das Team ist ein weiterer Punkt auf der langen Liste der PRO-Argumente, denn mittlerweile sind Yoshi-P, Soken, Koji Fox und Co mit der Community verschmolzen. Ständig gibt es Updates aus dem Entwicklungsprozess, es wird offen alles kommuniziert, was auch vielleicht nicht gut läuft und es gibt einfach so gut wie kein böses Blut - selbst jetzt, wo die nächste Erweiterung, die den Handlungsbogen fürs erste zu einem Ende bringt, kurzfristig verschoben wurde. Weil man weiß, dass den Entwicklern eine solche Aussage in der Seele wehtut.
Ach und ich könnte einfach so weiterschreiben.
Wie ich echte Freunde gefunden habe, obwohl ich mich selbst echt eher als Introvertierten bezeichnen würde (vielleicht, weil es vielen in dem Spiel so geht). Wie es so viele Community-interne Insider gibt und man sich freut, immer mehr davon zu verstehen. Wie das Kampfsystem - zumindest für MMO-Neulinge - anfangs so primitiv erscheint und in späteren Inhalten ordentlich anzieht und man sich als Gruppe feiert, wenn alles ineinandergegriffen hat. Wie ich als Heiler eine innere Zufriedenheit verspüre, wenn keiner draufgegangen ist. Wie man SO viel entdecken kann, aber nicht muss. Wie es wirklich für mich ein kleines, zweites Zuhause geworden ist und ich bei manchen Stücken aus dem Soundtrack regelmäßig Gänsehaut oder feuchte Augen bekomme.
Ich möchte wirklich jedem empfehlen, es zu testen. Egal ob MMO-Veteran oder -Skeptiker. Dafür ist das alles einfach in sich zu stimmig und großartig. Und die Fallhöhe ist enorm niedrig, denn bis Stufe 60 ist das Spiel komplett kostenlos (und das beinhaltet die erste große Erweiterung Heavensward, bei der man spätestens im packenden Story-Strudel angekommen sein dürfte).
Ach ja, noch zum Thema Grind: Klar, den gibt es auch, aber es ist im Grunde optionales Endgame-Gelöt. Da muss man sich anfangs noch nicht drum scheren - man levels durch die Hauptquest eigentlich ausreichend, sodass man locker flockig durchkommen sollte ohne nervige Dinge tun zu müssen.
Wenn ihr Fragen habt, fragt.
Wenn ihr es mal testen wollt, macht!
(Vielleicht schreibt ihr mir vorher kurz, damit ich euch einen Einladungscode geben kann, bei dem ich Bonuskram bekomme, wenn ihr wirklich das Spiel am Ende kaufen solltet. Was jetzt furchtbar danach klingt, dass ich die ganze Werbetrommel da oben nur dafür gerührt hätte. Soll es aber natürlich nicht, könnt ihr machen oder auch sein lassen. )