Wie oft bei dir, sehr viel Anregendes, aber das in einer sehr einseitigen und sehr polemischen Weise dargebracht. Und faktisch leider nicht nachweisbar.
Wenn du davon sprichst, dass die Bevölkerung völlig verarmt ist, hättest du ja gerne mal auf den Anteil der Bevölkerung eingehen können, der unterhalb der Armutsgrenze lebt. Dieser lag bei der letzten Datenerhebung gerade bei 2,5%. Über die Definition kann man natürlich diskutieren, aber der Langzeit-Trend ist davon unbenommen HOCHGRADIG positiv.
Leben alle gerade so über der Armutsgrenze, während die top 10% die Kohlen davontragen? Zum Glück gibts auch hierfür Daten! Und leider hast du auch hier polemisch und ohne Fakten argumentiert. Man könnte sich z.B. den GINI Index anschauen, der weltweit anerkannt ist als Index der Ungleichverteilung. Je kleiner, desto besser. Die Bundeszentrale für politische Bildung erklärt ihn hier sehr gut:
This Index (0 to 100) shows the equality (low levels) and the inequality (high levels) of distribution of wealth within a country.
Oh, wait, auch HIER geht der Langzeit-Trend in die richtige Richtung. Von 30er Werten auf Mitte 20er Werte.

Aber nun gut, vielleicht sticht die Ukraine im globalen Vergleich hier ja immer noch hervor? Nope, schade, die Ukraine ist in den TOP TEN GLOBAL für die wenigste Ungleichheit. Auf einer Ebene mit Finnland, Belgien und Island.
Gini, Mini, Wini, keine Ahnung was der Fick soll. Darf’s noch konkreter sein? Schauen wir uns doch den Anteil am Einkommen an, den die reichsten 10% generieren:
Ach krass! Auch HIER ist die Ukraine unter den top 10! Und wenn’s nicht nur Einkommen sein darf sondern Vermögen, könnten wir mal einen Blick auf die World Inequality Database werfen. Hier gibt’s dann vielleicht keinen top 10 Platz mehr, aber man ist immer noch bei den „gleicheren“ Nationen dabei, z.B. weit vor Russland:
Natürlich gibt es in der Ukraine sehr sehr reiche Clans, keine wirkliche soziale Gerechtigkeit und sehr große Bedarfe der Umverteilung (wie in jedem kapitalistischen Land), aber die Daten geben nicht her, dass es hier besonders schlimm ist.
Und zum Nazi-Problem, das doch einen geraumen Teil deines Posts einnimmt? Hier sagen sogar jüdische Quellen…
Talking about the far right as an issue in Ukraine has been taboo, but it’s not as big of a problem as Putin would like you to believe.
Der Post kommt halt nicht mehr so geil wenn man ehrlich drüber spricht, dass die daraus hervorgegangene Partei in 2019 genau 2% der Stimmen bekommen hat. Und das auch nur, weil sie seit 2014 etwas Aufwind bekommen haben. Klingt wirklich wie eine brutal akzeptierte Stellung des Neonazismus! Aber hey, lieber Putin’s Talking Points von den Rechten gegen die Linken nachplappern weil es in der Ukraine wie in jedem fucking Land unter den Streitkräften Nazis gibt. „Es gibt eine sehr kleine Minderheit Nazis“ klingt halt wiederum nicht so geil martialisch wie die Streitkräfte, die mit Hakenkreuzen und Runen gegen Putins Truppen kämpfen. Das mag natürlich stimmen, das Framing ist aber halt einfach wieder höchst einseitig.
Es bleibt ein kapitalistisches Land, das in Sachen Einkommensgleichheit in der Spitzengruppe ist und in der Armut gerade stark abnimmt. Weiterhin bleibt ein Naziproblem aufgrund einer einzigen sehr sichtbaren Gruppe, gegen die man noch kein Mittel gefunden hat und deren Mithilfe man nun in dieser Notsituation auch annimmt. Ein Naziproblem, das selbst unabhängige jüdische Seiten als „nicht so groß wie Putin sagt“ beschreiben. Und von dem man ausgehen kann, dass es für den JÜDISCHEN Präsidenten, der mit 73% gewählt wurde und der Familienmitglieder im Holocaust verloren hat, ein großer Dorn im Auge ist.
Und damit wiederum bleibt unter dem Strich von deinem polemischen und hochgradig populistischen Post inhaltlich wenig übrig.
Insgesamt finde ich es GROB verkehrt, hier wieder mit der „aber beide Seiten“ Logik zu kommen, die mal zumindest implizit beides auf eine Stufe stellt. Mafia gegen Mafia, Chauvinismus gegen Chauvinismus.
Edit: Sorry für die Passiv-Aggressivität in meinem Tonfall, aber dass eine dermaßen populistische Propagandaschrift hier so große Zustimmung findet, hat mich etwas getriggert.