Merz, wenn er Präsident wäre.
Ab in den Lulag wie Bolsonaro!
Kann hier einer einen fundierten und nüchternen Einordnungspost oder Link senden, was da gerade in Syrien passiert, was genau das für Gruppen sind, wie genau der Einfluss auf Russland, Iran und Co ist, was das für den Krieg in der Ukraine bedeuten könnte und ob das jetzt eine Erhöhung von Flüchtlingen auslöst und damit wieder Einfluss auf Europa bzw. Deutschland hat.
Ich weiß, ist eine komplizierte Bitte.
Ja gut, ich versuche es mal. Man möge mir nachsehen, wenn ich manches zu stark vereinfache.
Stand November war Syrien als Folge des Bürgerkrieges unter mehreren Gruppen faktisch aufgeteilt. Hier jetzt mal möglichst ohne Wertung.
- Der frühere Machthaber Assad kontrolliert die Hauptstadt Damaskus, die Mittelmeerküste, den Bereich dazwischen mit größeren Städten wie Aleppo und Homs, sowie wertloses Hinterland und Wüste im Südosten. Er wird von Russland und dem Iran unterstützt. Russland hat mehrere Militärbasen im Land, früher Gruppe Wagner, jetzt reguläre Armee. Dazu vor allem Militärhäfen, die Russlands Zugang zum Mittelmeer ohne Abhängigkeit vom Bosporus darstellen.
- Der Nordosten wird weitgehend von kurdischen Truppen kontrolliert, die dort einen recht gut funktionierenden Quasi Staat am Laufen halten.
- Die Türkei und mit ihr Verbündete halten Teile der Grenzregion zur Türkei kontrolliert. Das Interesse der Türkei ist hier vor allem die Schaffung einer Pufferzone zum eigenen Gebiet.
- Im Südosten gibt es ein weitgehend wertloses Gebiet, das von Aufständischen gehalten wird, die sich aus ehemaligen Regierungstruppen rekrutieren, die nun gegen Assad kämpfen. Zuvor war ihr Hauptziel die Vernichtung des IS, der große Teile Syriens und des angrenzenden Iraks kontrollierte. Vor allem während dieses Kampfes wurden sie mit Waffen und aus der Luft von den USA unterstützt. Das hat auch ganz gut funktioniert und der IS verfügt über kein eigenes Gebiet mehr. Auch heute noch greifen die USA noch Stellungen anderer Gruppen dort an, jedoch stark reduziert.
- Und dann halt im Nordwesten ein Gebiet, welches von einem Zweckbündnis mehrerer islamistischer Verbände kontrolliert wird.
Russland ist gerade in der Ukraine stark gebunden und der Iran hat mit Israel zu tun. Das bindet natürlich Mittel und letztgenannte Islamisten (sowie zum Teil die Kurden) nutzen die Situation gerade aus und erobern Gebiete nach Süden hin in Richtung Damaskus. Wenn es so weitergeht, könnten sie die Hauptstadt einnehmen oder zumindest die Mittelmeerregion vom restlichen von Assad kontrollierten Gebiet abschneiden.
Russland, der Iran und die Türkei haben natürlich kein Interesse an einer Veränderung des Status Quo und treffen sich heute in Katar, um ihre weitere Strategie abzustimmen. Assads Truppen allein sind nicht im Stande, der jetzigen Offensive nennenswert Widerstand zu leisten.
Schwer zu sagen. Wenn Russland seine Stellung dort nicht einbüßen will, werden sie Mittel nach Syrien verlegen müssen, die dann nicht in der Ukraine zur Verfügung stehen. In welchem Ausmaß und welche Truppen genau, das ist völlig offen. Es ist auch sehr möglich, dass die Ukraine die jetzige Offensive mit unterstützt, mit Waffen und Know How.
Kann sein. Kommt stark drauf an, wie lange die kriegerischen Auseinandersetzungen jetzt laufen und was danach kommt. Man sieht in den Nachrichten viele, die die Eroberungstruppen jubelnd willkommen heißen. Aber klar, die mit anderer Meinung sind natürlich geflohen, bevor die Islamisten einmarschiert sind.
Europa wird genauso hilflos und planlos wie 2015 sein. Man muss hoffen, dass eine mögliche Welle nicht vor Februar hier ankommt und der AfD massives Oberwasser bringen wird.
Vielleicht wird Erdogan sich diesmal früher als Türsteher anbieten, aber der Preis für ihn wird ja nur höher, je mehr Flüchtlinge schon durchgerutscht sind und den politischen Druck hier erhöhen.
Hier gibt es auch einige aktuelle Infos:
Woher haben denn Assads Gegner die Kohle und die Waffen? Saudi-Arabien? Also die üblichen Verdächtigen supporten ja Assad.
Sehr wahrscheinlich. Auch Katar oder über mehrere Umwege Israel sind Optionen.
Huch, Assad pløtzlich weg. WTF?
Logistisch und mitlitärisch wird HTS vor allem von Erdogan und der Türkei unterstützt, so wie damals der IS auch schon. Wie da die genauen Geldflüsse sind, wer weiß das schon. Die Beziehungen zu Katar sind ja sehr gut, da kommt sicher einiges.
Israel unterstützt höchstens die kurdischen Autonomiegebiete im Norden und Nordosten, so wie damals schon, als der IS seine Gemetzel an den Jesiden begangen hat. Und er man hat wohl die Hisbollah, die Assad vom Libanon aus zu Hilfe eilen wollte, in Schach gehalten.
Das sind ja Islamisten die Assad stürzen, oder? Also wird Pest durch Cholera ersetzt, oder besteht zumindest eine klitzekleine Chance, dass dort alles besser wird?
Naja, zumindest dem ersten naiven Anschein nach hört sich manches ganz gut an.
Sowohl der Ministerpräsident der im Land geblieben ist, als auch der Milizführer haben angekündigt eine friedliche Übergabe anzustreben. Die Exil-Opposition möchte Wahlen (der o.g. Ministerpräsident auch). Und der Milizführer (ehemals Al Quaida) postet plötzlich unter seinem bürgerlichen Namen, was darauf hindeutet, dass er Interesse daran haben könnte eine politische Rolle einzunehmen.
Klingt irgendwie nach Silberstreif, hab mir das aber auch nur von der ZEIT zusammengereimt.
Blöder Spruch vielleicht, aber hoffen kannst du immer.
Die Region ist halt jetzt nicht für ihre lange Geschichte stabiler und liberaler Regierungen bekannt. Meist werden durch solche Regimewechsel nur die Gründe ausgetauscht, aus denen heraus dann andere Leute eingesperrt werden.
Im Westen sollte man schauen, dass man den gemäßigteren Parteien dort eine Chance gibt, denn sonst ist der nächste Bürgerkrieg eine Frage der Zeit.
https://lagedernation.org/
Kapitel 7 (ab Minute 33) ist ein Interview mit Bente Scheller von der Böll Stiftung, die sich seit Jahren mit der politischen Lage in Syrien beschäftigt und mehrere Bücher geschrieben hat. Sie erklärt da die Lage vor Ort, fand ich ganz erhellend.
Wer wirklich Ahnung von der Lage und den Dynamiken der ganzen Region hat, ist Thomas von der Osten-Sacken.
Der postet gerade sehr viel auf Social Media u.a. dies, vor circa 3 Stunden. Finde ich bemerkenswert.
"Eigentlich mag ich mir jetzt keine deutschen Medienkommentare reinziehen aber eines nervt mich gerade doch:
Nein! Es waren keine Jihadisten, die Damaskus befreit haben. Es waren noch nicht mal islamistische Milizen der HTS.
Es waren ein paar schlecht bewaffnete Rebellen und vor allem als DER ganz große Akteur die Bevölkerung von Damaskus und seinem Umland, darunter Drusen, Christen, sogar Alawiten, die Assad nicht mochten und ganz viele Leute, die sich einen Dreck interessiert haben dafür, was sie eigentlich sein sollen nach in Europa so unglaublich geliebten religiös-ethnologischer Definition, die einfach als Syrerinnen und Syrer, ja schlicht als Menschen, die Chance genutzt haben, einen widerwärtigen und verhassten Diktator zu stürzen.
Und etwas Lokalkolorit dazu: Damaszener blicken meist aus Menschen aus Aleppo und dem Norden herab, die sind ihnen zu traditionell und islamisch. Seit je her. Niemals hätten sie es akzeptiert, dass ihre Stadt von Bärten aus dem Norden befreit wird. Das mussten sie selbst tun.
Und es ist nur eine Vermutung aber da die HTS-Leute nun mal auch Syrer sind und mehrheitlich aus dem Norden des Landes, wussten sie das und sind mehr oder weniger vor Homs stehen geblieben, damit die in und um Damaskus sich selbst befreien können."
Wenn man sich das anguckt sind das da einfach irgendwelche Dudes. Die haben teilweise nicht mal einen Toyota Hilux.
Ich habe vorhin ein Interview mit Wladimir van Wilgenburg gehört, der ist sehr tief in der kurdischen Seite des Konflikts drin.
Schön. Und was stand drin?
Von der Osten-Sacken Pt 2:
„Man sollte sich ja heute nicht nur fragen, wer sich alles freut, sondern auch, wo heute die Stimmung so richtig mies ist.
Und das ist eine nette Liste:
- Im Kreml (und bei Kollegen in Minsk und Grosny)
- In den Hallen der Mullahs in Teheran
- Im Bunker der Hizbollah in Beiruth (denen mit dem syrischen Captagon auch eine wichtige Einnahmequelle flöten geht)
- Im Hamas Tunnel und wo immer die aus Qatar ausgewiesene Führungsregie der Truppe gerade sitzen mag
- Bei General Haftar in Libyen und den RSF-Schächtern im Sudan
- Bei den Houthis im Jemen
- In den Büros der vom Iran unterhaltenen Shia-Milizen im Irak
- Bei Sarah Wagenknecht und der AFD und ihrer ganzen gemeinsamen Bubble (und in Österreich bei der FPÖ)
- Bei allen Internetkriegern von links und rechts, die Assad die Stange gehalten haben weil er irgendwie antiimperialistisch und Feind Israels gewesen sei
- Bei anderen europäischen Linken wie Corbyn und Mélenchon und den Widerparten von Front National etc.
- Bei Orban, Meloni etc., die zwischenzeitlich irgendwelche schmierigen Deals mit Assad gemacht haben
- Bei Tusli Gabbard, die Assad irgendwie auch toll fand
- in den Redaktionsräumen der Jungen Welt
- Deutsche Chemiefirmen, die Angst haben, dass syrische Aktivist:innen ihre Namen auf Beschaffungslisten des syrischen Chemiewaffenprogramms finden. (Wichtige Ergänzung von Yusuf Schröder)
- Jürgen Todenhöfer (mit Dank an Yves Pallade)
Habe ich wen vergessen? Bitte dann die Liste in den Kommentarspalten weiterführen.
Und Hand aufs Herz: Wer sich nicht mit den Syrerinnen und Syrern freuen mag, aus Angst, das könnte in Chaos und Islamismus enden, der sollte sich einfach nur darüber freuen, wer heute alles so gar nicht froh ist.
Oder umgekehrt: Was für ein Drecksacck muss man sein, wenn diese Defilée von A…gesichtern um einen trauert und der Rest feiert?„
Es war im Podcast „it could happen here“ und der Tenor war, dass es in der Tat ein breites Bündnis ist, dass die strategisch schwache Lage Assads nutzt. Leider kein Transkript.
Bernd Stromberg gestern bei ein Herz für Kinder:
Unglaublich schäbig so eine Veranstaltung bzw. Kinder in Not für Wahlkampf zu missbrauchen. Abgesehen davon auch noch lächerlich geizig, wenn man bedenkt, wie viele Kohle der Hund schon gescheffelt hat. Aber da weiß man direkt, wo seine Prioritäten liegen. uHrensohn.