Der Politik Thread - Archiv 2020—24

Die Debatte wird halt auch super polemisch geführt. „Die Effizienz von E-Fuels ist superkacke“ ist zwar eingängig und schnell dahergerechnet, aber auch kurzfristig und sooo stark vereinfacht. Triggert mich mittlerweile ziemlich, wenn da Effizienzberechnungen nachgeplappert werden, die auf gegenwärtigen Parametern beruhen und sehr viele Faktoren komplett außen vor lassen.

Der Gesamtbedarf für Mobilität sind derzeit wohl so ca. 800 TWh. Im Jahr 2021 wurden bereits ca. 6 TWh abgeregelt um die Netze vor Überlastung zu schützen. Nach Ausbauziel der Bundesregierung wird es in 2040 >6x so viel Windenergie geben wie 2020 und bei PV wird’s ähnlich aussehen oder gar mehr, gerade zu faul zu recherchieren. :ronaldo: Sprich: VIEL mehr volatile und schwierig vorauszusagende Energie. Der zumindest einen Teil des Energiebedarfs im Verkehr abdecken kann, wenn auch bei weitem nicht alles.

Jetzt wechseln wir mal die Perspektive, du bist Betreiber eines sehr großen PV-/Windparks. Wohin mit der Überschussenergie, wenn mal sehr viel Wind / Sonne da ist? Abregeln ist natürlich mega kacke. Verschenken oder sogar für „Negativpreise“ verkaufen - wie es ja teils sogar schon passiert - ist auch keine wirklich gute Option. Batterien als Speicher reichen für die wirklich großen Strommengen oft nicht mehr aus (sonst würde das ja heute schon gemacht werden). Größere Speicher wie Flüssigluft- oder Druckluftspeicher sind technologisch noch nicht erprobt und auch erst in der Pilotphase. Das weiß ich übrigens, weil mein Unternehmen da teils mit drin hängt. Der einfachste Schritt, die Elektrizität dann noch irgendwie zu nutzen, wäre natürlich, Wasserstoff herzustellen über die Elektrolyse. Für Wasserstoff gibt’s aber noch Millionen offene Fragen um Speicherung, Transport und die generelle Infrastruktur.

Und die letzte Möglichkeit wird dann auf einmal attraktiver: Weil mehr Überschussstrom besteht und weil auch CO2 für die Herstellung von synthetischen Gasen oder Flüssigkraftstoffen ein zugänglicherer Rohstoff wird, da „Carbon Capture“ gerade GANZ dickes Wachstum vorausgesagt wird, wo CO2 aus z.B. Zementwerken aufgefangen wird (auch hier sind wir involviert). Power-to-X ist zwar nicht effizient (genau im Gegenteil), aber es kann halt komplett die bisherige Infrastruktur genutzt werden ohne jegliche nötige Investition. Wie genau die Rechnung da in 15-20 Jahren aussieht, kann doch heute wirklich keiner beurteilen, weil sich da mehrere Parameter gleichzeitig relativ drastisch ändern.

Und wollen wir uns wirklich komplett auf E-Autos verlassen? Wo ein zentraler Rohstoff (Kobalt) zu 75% (!!!) aus der DR Congo kommt? Wo er heute oft schon unter unwürdigsten Bedingungen oft von Kindern abgebaut wird, was in der öffentlichen Debatte irgendwie kaum ein Thema ist. Wenn da der nächste Nazi-Warlord an die Macht kommt und sagt „Pech, kein Kobalt mehr für euch“, was ist dann? Bisher juckt eh keinen was da passiert, aber lass das mal transparenter und ein „Ding“ werden und auf einmal fragen sich alle, wie wir den kompletten globalen und nachhaltigen Individualverkehr von den Warlords in DR Congo abhängig machen konnten. Ein (fast) vollständiges Batterierecycling könnte hier der Game Changer sein, aber einerseits gibt es auch hier noch Fragezeichen (auch das steht noch ziemlich am Anfang) und zweitens braucht es auch bei Recycling noch ein drastisches Wachstum, um auch den Milliarden Menschen saubere Elektromobilität gewährleisten zu können, die heute vielleicht noch gar keinen Individualverkehr nutzen können - und dann sind wir wieder in der Abhängigkeit zur DR Congo.

Daher: Wer sagt denn, dass eFuels nicht zumindest eine Alternative werden können, auch wenn sie nur 5-10% der deutschen Flotte versorgt? Vor allem lokal dort, wo viel volatiler Strom anfällt (z.B. Norddeutschland). Warum die Technologie Verbrennungsmotor an sich verbieten, solange sie sich wirklich rein auf klimaneutrale, aus Erneuerbaren hergestellte Kraftstoffe bezieht?

Ich hasse Lindner wie sonst kaum einen Politiker (gut, AfD und Fotzenfritz sind zu einfach), aber so ganz einseitig und sonnenklar wie oft mit diesen vereinfachten Effizienzberechnungen dargestellt ist das ganze Thema halt auch nicht.

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