Der Begriff Resilienz ist in Mode. Beschreibt er doch die Widerstands- und Anpassungsfähigkeit in herausfordernden Situationen. In Wirtschaftszeitungen wurde im Zuge von unter anderem Corona-Pandemie, Lieferketten- und Energiekrise des Öfteren die Frage gestellt, wie resilient beispielsweise die deutsche Wirtschaft oder einzelne Branchen sind. Entsprechend naheliegend ist es, ebenjene Frage auf den Kryptosektor anzuwenden. Durch den Terra-Luna-Crash sowie den Zusammenbruch von Celsius und zuletzt FTX keine ganz triviale Angelegenheit.
Hohe Volatilität als Ausdruck von Wachstumspotential
Die Reaktionen des Kryptomarktes auf Kurs-beeinflussende Faktoren fallen größer aus als bei etablierten Vermögenswerten, wie insbesondere dem Aktiensektor. Entsprechend hoch ist die Volatilität der Kryptowährungen. Anstatt das als Makel und Zeichen von mangelnder Resilienz anzusehen, darf nicht vergessen werden, dass eine hohe Wachstumsdynamik immer mit einer hohen Volatilität einhergeht.
Dass also die Ausschläge beim Kryptomarkt größer sind als beim DAX oder dem BIP der deutschen Wirtschaft, kann unter anderem auch bedeuten, dass die Einpreisung von fundamentalen Kursfaktoren schneller und unmittelbarer vonstattengeht als bei genannten traditionellen Märkten.
Der Kryptomarkt: Ein Lehrstück aus der VWL-Vorlesung
Während unsere traditionelle Wirtschaft immer stärker von wirtschaftspolitischen Maßnahmen und marktinkonformen Eingriffen beeinflusst ist, findet man im Kryptomarkt eine marktheoretisch betrachtet eine relativ ungestörte Spielwiese. Angebot und Nachfrage können unmittelbarer und direkter zusammenfinden.
Man findet einen Markt vor, wie man ihn sonst nur aus Lehrbüchern der Volkswirtschaftslehre kennt, viel näher am neoklassischen Ideal als andere Märkte. Zumal die Preisbildung maximal dezentral, weniger reguliert und 24/7 geschieht.
Kein Staat und keine Notenbank
Eine Notenbank, die in Krisenzeiten beispielsweise in den Interbankenmarkt eingreift, um Liquidität bereitzustellen, gibt es nicht. Auch gibt es keine Rettungspakete, Bail-Outs, Staatsgarantien oder Förderprogramme. Da diese „Stützräder“ fehlen, fallen Stürze im Kryptomarkt besonders hart und schmerzhaft aus.
Auf der anderen Seite wird durch dieses brutale und direkte Feedback eine schnelle Anpassung und Beseitigung von Fehlern erzwungen. Altlasten, ergo teure Fehler, die man mit sich rumschleppt und die das zukünftige Wachstum hemmen, werden in der Token-Ökonomie direkt beseitigt. Fehler und Ineffizienzen müssen im Kryptomarkt also sofort abgestellt werden, da sonst der Marktausschluss erfolgt. Während toxische Kredite im Zuge der Finanzkrise bei einer Bad Bank ausgelagert wurden, werden die aktuell stattfindenden Kreditausfälle im Kryptomarkt schlicht und einfach abgeschrieben.
So sehr aus gesellschaftlicher und in Teilen auch volkswirtschaftlicher Sicht die staatliche Stützung von beispielsweise Commerzbank, Lufthansa, Galeria Kaufhof oder Uniper sinnvoll ist, reduziert sie dennoch die Markteffizienz und Kapitalallokation. Insbesondere bei der staatlichen Kreditvergabe, wenn Banken beispielsweise durch die KfW Kredite vergeben, besteht die Gefahr, dass Kapital nicht effizient allokiert wird.
Der große Denkfehler von Kryptokritikern
Schäden mögen durch diese staatlichen Maßnahmen nicht so schnell sichtbar werden, sodass uns das System als besonders resilient erscheint. Genau hier liegt aber der Denkfehler. Ein System, das wie der Kryptomarkt seine Schäden ungeschönt offenbart und entsprechend stärker nachgibt, ist deswegen nicht gleich weniger resilient. Ausschlaggebend ist, ob sich der Kryptomarkt wieder erholt und auf seinen Wachstumspfad zurückfindet. Solange dies geschieht, gibt es keinen Grund, die Resilienz des Krypto-Ökosystems infrage zu stellen.