tl;dr: Wir sind da gar nicht mal so weit auseinander, honey
Ich freue mich über jeden Prozess, an dem ich mich orientieren kann und den ich irgendwo dokumentiert und immer mal wieder nachlesbar finde - nein, „Prozesse müssen gelebt werden“, hilft niemanden, vor allem lebt ihn dann jeder anders und gibt diesen noch anders an neue weiter.
Bei diesen ganzen „flachen Hierarchien“ gibt mir das einfach Orientierung und ich finde meine Position im Wertschöpfungsprozess. Zudem weiß ich wohin mit meinen Rückfragen oder welchen Stand etwas zur (weiteren-) Bearbeitung haben muss.
Leider entstehen aber auch häufig Regeltermine, Arbeitsgruppen oder Prozesse aus einer guten Absicht, die allerdings nie erreicht wird und man sich aber auch nicht eingestehen mag, dass die bisherige Arbeit daran sinnvoller Weise einfach mal eingestampft wird.
Dann wird lieber scrum-esk noch 'ne weitere Prozessschleife wie ein Krebsgeschwür angedängelt und vielleicht noch ein paar zusätzliche Weeklys, Sprintlys, Monthlys… erfunden, um (initial sinnvoll) mal für einen wichtigen Zeitraum auf Spur zu bleiben.
Diese Dinge werden allerdings je nach Umfeld nie obsolet.
Aktuell ist bei uns halt auch seit Jahren ein großer Umbruch.
Das zuvor streng hierarchisch geführte Geschäftsfeld verteilt nun seine Entscheidungskompetenzen in die Teams um.
Leider blöd, dass 90% der Leute aus den Teams auch im alten Geschäftsfeld gearbeitet habe und es dort auch keine wirklich würdige Fehlerpolitik gab (Fehler => Ärger).
Dadurch existiert immernoch eine Entscheidungsträgheit und es bilden sich Arbeitskreise, Quartalsziele, Nebenaufgaben usw. usf. - sprich: es werden Entscheidungen bis zur Eskalation verwaltet und es entsteht der Eindruck, dass ich umso wichtiger bin, je weniger Freizeit ich im Kalender habe.
Ich selbst habe einen ausgeprägten Anspruch an meine Arbeitsergebnisse sowie einen großen Drang zu Lernen und auch die nötige Selbstdisziplin (Hire me! ). Daher gehe ich häufig komplett quer mit dieser Arbeitsweise und bin leider zu häufig in der Treiber-Rolle gefangen und komme irgendwann nicht mehr zu meiner eigentlichen Arbeit.
Nach vier Jahren bei meinem jetzigen Unternehmen habe ich nun ein Team aus Neuzugängen um mich herum versammelt, dass ähnlich tickt und - guess what? - wir bekommen unsere Arbeit in relativ kurzer Zeit mit einem sehr guten Ergebnis erledigt.
Wir quatschen 'ne halbe Stunde im Daily als lockerer Starter in den Tag, machen bei Bedarf eine Retro und ansonsten arbeiten wir unser Backlog von oben nach unten ab. Neue Aufgaben nehmen wir entgegen oder (hey, das geht auch liebe Leute) wir lehnen sie ab.
Für die Chefs und unsere Scrum Masterin spielen wir auch ein bisschen Scrum mit, aber nur den Teil, der uns auch selbst hilft - und wenn es uns hilft in Ruhe gelassen zu werden
Worum es mir eigentlich geht: viele der Techniken haben ihre Berechtigung, sind aber keine Blaupausen.
Agil arbeiten? Klar, aber bitte mit Plan und Analyse der aktuellen Arbeitsweise und einer Idee, wie man die Transition macht.
Ansonsten hat mein Chef, mein Controller oder mein direkter Arbeitskollege ein Recht darauf zu erfahren, wie der Stand der Dinge bei unserem aktuellen Produkt.
Ich habe da auch kein Interesse etwas zu verbergen - Ergebnisse brauchen aber ihre Zeit.
Ebenso dürfen diese Aufgaben geplant und vorbereitet werden - frühzeitig unter Einbeziehung aller Betroffenen und kein „der PM/PO denkt sich da erstmal was aus, und dann guckt ihr mal, wie ihr das eingebunden/verkauft/vermarktet bekommt“. Viel zu häufig höre ich „das haben wir dem Kunden jetzt aber so verkauft“ und ich entgegne im Zweifel, dass etwas technisch gar nicht möglich ist
Ach, ich glaube ich bin einfach nur grundlegend sehr enttäuscht davon, wie Menschen sind.
Ich selbst achte im professionellen Umfeld sehr darauf, wie ich (nicht-) kommuniziere, hege eine gewisse Empathie (oder zumindest ein Verständnis) für mein Gegenüber und versuche mich selbst auch möglichst präzise und irritationsfrei auszudrücken.
Auch wenn der letzte Punkt bei diesem Post etwas quer geht, da man wahrscheinlich anhand der Gedankensprünge ablesen kann in wie vielen pomodoro-Pausen ich den Beitrag geschrieben habe und jetzt keine weitere Pause noch für die Qualitätssicherung verschwenden nutzen möchte - „das muss dann diesmal so gehen“