Der Politik Thread - Archiv 2020—24

Ich komme aus einem nichtakademischen Haushalt. Meine Eltern sind beide bis zur 8. Klasse zur Schule gegangen. Mein Vater war dann mit 14 Jahren in der Fabrik, bevor er 3 Jahre zur Armee ging, hinterher Polizist wurde (entspannter Beruf) und danach auf Drängen meiner Mutter (gefährlich!) wieder in die Fabrik ging, um in der Härterei zu arbeiten. Meine Mutter hat erst mit 21 eine Ausbildung zur Erziehungshilfe gemacht, weil sie, seit sie 14 war, auf dem Hof der Eltern mitzuarbeiten hatte.

Ich bin der erste in der Familie gewesen, der Abitur gemacht hat. Meine Mutter hat stets beschwörend auf mich eingeredet: Tu das nicht, lern einen ordentlichen Beruf, lesen kannst du doch auch so.

Apropos lesen: Meine Eltern sind nicht doof und verfügen über eine grundsolide Allgemeinbildung. Aber Bücher gab es bei uns zu Hause so gut wie keine. Meyers Konversationslexikon und ein paar ethnologische Werke über verschiedene Pygmäenvölker, die mein Großvater vererbt hatte, standen im Regal.

Als ich im Jugendalter dann anfing, Bücher anzuhäufen (und das war damals schon sehr theorielastiges Zeug), da wurde das mit gebührender Skepsis aufgenommen. Der Typ, bei dem mein Vater als Nebenjob den Garten pflegte (irgendeiner, dem eine Firma gehörte), sagte zu meinen Eltern, als er einmal bei uns zu Besuch war, und die Bücherstapel in meinem Zimmer gesehen hatte, sie sollten lieber aufpassen, das sei nicht gut für mich, wenn ich so viel solches Zeug lese.

Als ich mein Studium aufnahm, flehte mich meine Mutter an, ich solle Zimmermann werden, da könne ich mir wenigstens mit meinen eigenen Händen ein Haus bauen.

Ich habe mich immer (schon als Kind) für ein tolles, cleveres Kerlchen gehalten. Das hat innerhalb meiner Bubble wahrscheinlich auch gestimmt. Als ich dann aber mein Studium aufgenommen hatte, kam ich mir so abgrundtief dumm, ungebildet und gesellschaftlich verlottert vor - ich kannte die Codes nicht, die alle um mich herum offenbar von Kindesbeinen an verinnerlicht hatten (irgendwann habe ich dann Bourdieu gelesen und gelernt, dass das Habitus heißt und ich qua desselben in meine Klassen- bzw. Herkunftschranken verwiesen wurde).

Es war aber nicht nur das plötzliche Zusammensein mit Menschen aus „akademischem“ Umfeld, das mich befremdete (und in teilweise sehr positive Anspannung versetzte), sondern vor allem auch der ganze akademische Apparat, der sich vor mir auftürmte und zwischen mir und meinem Studium stand, das ich mir naiv immer als ein ewiges Lernen und Mehrwissen vorgestellt hatte.

Lange Rede, kurzer Sinn: Für Menschen, die nicht über den entsprechenden Hintergrund verfügen, ist es sehr viel schwieriger und komplexer, ein Studium durchzuziehen (und also „aufzusteigen“) als für „geborene Akademiker“ oder upper middle class kids, die das alles schon kennen.

edit: Sorry. habe direkt auf Lorant geantwortet. Hätte ich eure Romane vorher gelesen, hätte ich knapper formuliert. :-) :grinning:

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Ich finde sogar sehr viel, wenn nicht der entscheidende Punkt. Anderes Land hier, wo die Berufslehr nach wie vor ein sehr guter Weg ist und ein hohes Ansehen geniesst. Doch wenn die Eltern keine Akademiker waren/sind, dann ist das Gymnasium und anschliessendes Studium schon mal weit weg oder gar keine Option. Ich kann mich noch gut an meine Lehrerin erinnern. Die kam eines Tages zu mir und sagte ich sei der Einzige, der noch keine Schnupperlehre vereinbart hat, also das Testen eines Berufes. Vielleicht weil ich selber nicht wusste, was ich für Möglichkeiten hatte oder was ich tun möchte. Die Akademiker Kinder gingen dann alle aufs Gymnasium, während der Rest von uns eine Berufsleher gemacht hat. Das war vor 27 Jahren und sieht heute an den Schulen bestimmt anders aus. Nun ich habe meinen Weg gemacht und mich ohne Titel hochgearbeitet. Die fehlenden Titel wären allerdings finanziell ein Problem, wenn ich in eine neue Firma reinspazieren würde. Ich bereue nichts, war früher ein Minimalist und musste nie viel lernen, um trotzdem vorne dabei zu sein. Ich würde allerdings an gleicher Stelle einen anderen Weg wählen.

Nice try Armin!

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Ist der gleiche Raum wie bei den Ibiza Aufnahmen, richtig?

https://twitter.com/oermemes/status/1443136877184364546?s=19
https://twitter.com/oermemes/status/1443140375816835076?s=19

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Zum Thema Bildungsgerechtigkeit habe ich mal ein Referat im Rahmen meines LA Studiums halten dürfen. Den Text hau ich hier einfach mal rein. Allein, um zu sehen wie lang 5 einhalb Seiten Text als Post sind.

Bildungsgerechtigkeit

Wie gerecht ist das deutsche Schulsystem?

Einleitung

„Bildungsgerechtigkeit heißt, allen Menschen pädagogische Unterstützung nach individuellen Bedingtheiten und Bedürfnissen zukommen zu lassen“ (Rekus 2013: 48). Inwieweit das deutsche Schulsystem diesem Anspruch im Hinblick auf das einzelne Individuum gerecht wird, soll Gegenstand dieses Textes sein.

Bildungspolitische Reformen wie die Gründung von Gesamtschulen haben mit dazu beigetragen, dass der Anteil von Volks- bzw. Hauptschülern zwischen 1952 und 2005 von 78 % auf 24 % zurückgegangen ist, während sich der Anteil von Schülerinnen und Schülern an Gymnasien von 15 % auf 33 % verdoppelt und an Realschulen von 7 % auf 27 % vervierfacht hat. (Solga 2009: 61) Das Bildungsniveau im Schulsystem steigt also, doch was bedeutet das für die Chancengleichheit?

Aus der Vorlesung von Professor Ladenthin ist uns bereits das „katholische Arbeitermädchen vom Lande“ bekannt, welches in den 1950er Jahren den Archetyp des im deutschen Schulsystem benachteiligten Kindes darstellte. Im Zuge der Bildungsexpansion wurden nun besonders die Benachteiligungen von Frauen und Mädchen abgebaut. So waren 2015 52 % der Schülerinnen und Schüler an Gymnasien weiblich. An Hauptschulen liegt der Anteil an Mädchen sogar bei nur 43,5 %. (Schulen auf einen Blick 2016: 16) Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass die Bildungsexpansion in Deutschland nicht zu einem Abbau, sondern zu einer Umverteilung von Chancengleichheit bzw. Chancenungleichheit geführt hat. So ist an die Stelle des katholischen Arbeitermädchens vom Lande aus den 50er Jahren heute der Junge mit Migrationshintergrund aus der Stadt als Stereotyp des benachteiligten Schülers getreten. Bildungsbenachteiligung lässt sich, damals wie heute, an vier verschiedenen Aspekten festmachen: der gesellschaftlichen Schicht, der Religion (kultureller Hintergrund), dem Geschlecht und dem Wohnort (Stadt/Land). (Solga 2009: 13)

Dieser Text wird sich im Folgenden auf die Effekte der sozialen Herkunft und des Migrationshintergrundes konzentrieren.

Soziale Herkunft

Internationale Vergleichsstudien wie PISA (Programme for International Student Assessment) und IGLU (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung) haben gezeigt, dass die sozioökonomische Herkunft eines Kindes in Deutschland maßgeblich dessen Bildungserfolg bestimmt. Diese Studien haben ergeben, dass bereits in der Grundschule „Ungleichheiten im familiären kulturellen Kapital […] nicht kompensiert“ (ebd.) werden. Mit kulturellem Kapital sind im Hinblick auf die Lesekompetenz bspw. Faktoren wie die soziale Schichtzugehörigkeit einer Familie, der höchste Bildungsabschluss eines Elternteils oder die Menge an Büchern im Haushalt gemeint. Im internationalen Vergleich ist dieses Kapital in Deutschland relevanter für den Bildungserfolg als in anderen Ländern. (ebd.: 13f.)

Besonders bei dem bereits erwähnten Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schulform spielt die Schichtzugehörigkeit der Familie eine große Rolle. Die IGLU-Studien haben ergeben, dass Kindern mit gleicher Lesekompetenz und gleichen kognitiven Fähigkeiten unterschiedliche Schullaufbahnempfehlungen durch die Lehrkräfte ausgesprochen werden, abhängig von der sozialen Herkunft der Familie. Die Studie zeigt, dass „Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern […] von ihren Lehrern […] erst bei deutlich höheren Leistungswerten eine Gymnasialpräferenz als Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern“ (Bos 2007: 20) erhalten. Die ermittelten Werte blieben auch bei den Studien der Jahre 2011 und 2016 ähnlich. „Bedenklich ist hingegen der konstant hohe Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft der Schülerinnen und Schüler und den Schullaufbahnpräferenzen. Auch unter Kontrolle der Lesekompetenz und der Deutschnote haben Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern eine deutlich höhere Chance auf eine Gymnasialpräferenz als Kinder aus bildungsfernen Familien.“ (Hußmann 2017: 248)

In Deutschland fällt das kulturelle Kapital einer Familie also nicht nur schwerer ins Gewicht, als in anderen Ländern. Beim Übergang in die Sekundarstufe werden Kinder aus niedrigen sozialen Schichten nachweislich benachteiligt, was es ihnen im Verlauf ihrer Schulkarriere erschwert Kompetenzen zu entwickeln und diese Kompetenzen letztendlich in Abschlüsse umzuwandeln.

Die Gründe für diese Form der Benachteiligungen sind sehr komplex und wurden vom französischen Soziologen Raymond Boudon 1974 in seinem Werk Education, Opportunity, and Social Inequality in primäre und sekundäre Herkunftseffekte unterschieden.

  • Primäre Herkunftseffekte sind gemeint, wenn ungleiche Schulleistungen, aufgrund der besseren familiären Möglichkeiten das Kind in der Schule zu unterstützen, die Ursachen für Bildungsungleichheit sind.

  • Sekundäre Herkunftseffekte beschreiben, warum trotz gleicher Schulleistungen Kinder aus unterschiedlichen Schichten unterschiedliche Laufbahnempfehlungen erhalten. Gemeint sind damit subjektive und schichtspezifische Entscheidungsprozesse.

Sekundäre Herkunftseffekte sind also subjektive Bewertungen der Lehrerinnen und Lehrer, zum Beispiel im Hinblick auf die Umgangsformen von einzelnen Schülern, deren Lerngewohnheiten oder auch im Hinblick darauf, dass die Lehrkraft das Unterstützungspotenzial der Eltern am Gymnasium als zu gering einschätzt. (Solga 2009: 23)

Die IGLU- und PISA-Testergebnisse zeigen außerdem, dass auch Eltern die Leistungsfähigkeit ihrer Kinder falsch einschätzen, abhängig von ihrer sozialen Schicht. „Fast alle Eltern aus oberen sozialen Schichten möchten ihre Kinder bei guten Schulleistungen auf ein Gymnasium schicken; Eltern aus unteren sozialen Schichten schicken ihre Kinder hingegen selbst mit guten Schulnoten viel seltener auf ein Gymnasium (38 %)" (ebd.). Diese Art von leistungsfremden Bildungsentscheidungen werden unter anderem aufgrund mangelnder Erfahrungen mit längeren Bildungswegen, mangelnder finanzieller Ressourcen, der Angst das eigene Kind nach nur vier Jahren Schule falsch einzuschätzen oder ihm oder ihr nicht mehr bei den Hausaufgaben helfen zu können getroffen. (Geißler 2014)

Wo die Schule also eigentlich den Auftrag hat, Chancenungleichheit zu kompensieren, wird diese in Deutschland in vielen Fällen sogar noch verstärkt. Dadurch, dass sich Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern bei der Laufbahnempfehlung nach der Grundschule von subjektiven und leistungsfremden Entscheidungsprozessen leiten lassen, wird die soziale Schichtzugehörigkeit zu einem entscheidenden Faktor für den Bildungserfolg der Kinder.

Migrationshintergrund

Neben der sozialen Schicht ist auch ein etwaiger Migrationshintergrund von besonderer Relevanz beim Kompetenzerwerb im deutschen Schulsystem. Obwohl Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in allen teilnehmenden Ländern durchschnittlich schlechter im IGLU-Test abschneiden als Kinder ohne Migrationshintergrund, bleibt doch festzuhalten, dass die Kompetenzunterschiede in Deutschland besonders ausgebildet sind. Bei Kindern mit Migrationshintergrund überlappen sich die Gründe für eine Benachteiligung außerdem häufig damit, dass sie einer niedrigen sozialen Schicht angehören. Dementsprechend besuchen Kinder mit Migrationshintergrund auffällig häufiger Hauptschulen als Kinder ohne Migrationshintergrund. (ebd.: 17) Im Jahr 2014 hatten 48 % der Schülerinnen und Schüler an Hauptschulen einen Migrationshintergrund, im Gegensatz zu nur 26 % an Gymnasien. (Datenreport 2016: 86)

Allerdings belegt die Tatsache, dass Kinder mit Migrationshintergrund auch dann schlechtere Leistungen erbringen, wenn sie aus der gleichen sozialen Schicht stammen wie Kinder ohne Migrationshintergrund, „eine Benachteiligung im Kompetenzerwerb im deutschen Bildungssystem, die darauf beruht, dass der Migrationshintergrund als solcher im Bildungsprozess relevant wird“ (Solga 2009: 16).

Gründe hierfür sind schwerer auszumachen als bei Untersuchungen über die Auswirkungen der sozialen Herkunft, da Benachteiligungen aufgrund des Migrationshintergrundes in Deutschland erst seit Mitte der 1990er Jahre genauer untersucht werden. Dementsprechend gibt es noch zu wenige Studien, um die Ursachen für das schlechtere Leistungsniveau der Kinder mit Migrationshintergrund fundiert zu belegen. Als mögliche Gründe wurden unter anderem Sprachbeherrschung, kulturelle Unterschiede, ethnisch separierte Lernumwelten sowie Vorurteile und Zuschreibungen der Lehrenden untersucht. (ebd.: 25ff.) Sogar der Verdacht von institutioneller Diskriminierung wurde aufgeworfen durch die Ergebnisse einer Studie aus den 90er Jahren. Die Studie zeigte auf, dass „Leistungsbeurteilungen und Selektionsentscheidungen sich an Normalitätserwartungen orientieren, die der Schul- und Sprachfähigkeit deutschsprachiger Kinder der Mittelschicht entspricht“ (ebd.: 29). Wie stark sich diese Effekte und Mechanismen tatsächlich auswirken wurde bislang allerdings ungenügend erforscht.

Es bleibt die Tatsache festzuhalten, dass Kinder mit Migrationshintergrund im deutschen Schulsystem schlechter abschneiden als im internationalen Vergleich. Unser System schafft es also nicht, das Bildungspotenzial dieser Personengruppe so zu fördern wie andere Länder. Studien, wie die der Hans-Böckler-Stiftung, vermutet daher, dass die Ursachen für diesen Zustand nicht individueller, sondern organisatorischer und struktureller Natur sind. (ebd.: 16)

Fazit

Sowohl die Ursachen als auch mögliche Lösungen für die Chancenungleichheit im deutschen Schulsystem sind überaus komplex und beruhen, wie im Fall der sekundären Herkunftseffekte, häufig auf subjektiven Entscheidungsprozessen. Sie sind dementsprechend schwerer greifbar. Dass andere Länder es im Vergleich schaffen ihren Schülerinnen und Schülern bessere Bildungschancen zu eröffnen, bleibt dennoch das empirische Ergebnis einer Vielzahl von Schulleistungsuntersuchungen der letzten 18 Jahre. Der Abbau des dreigliedrigen Schulsystems und mit ihm die seit Jahren rückläufige Anzahl von Hauptschulen sorgt dafür, dass immer weniger Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen von höheren Abschlüssen ausgeschlossen werden. Dies kann als einer von vielen noch kommenden und notwendigen Schritten in die richtige Richtung gesehen werden, um Benachteiligungen im deutschen Schulsystem zu reduzieren.

Es geht nicht darum, betroffene Eltern oder ihre Kinder aus der Verantwortung für ein gutes Lernumfeld oder die Lernmotivation zu entlassen, „[g]leichwohl ist […] für Schülerinnen und Schüler mit wie ohne Migrationshintergrund anzufügen, dass eine niedrigere soziale Herkunft nicht das ‚Defizit’ der Kinder ist, sondern zum einen ein Integrationsdefizit des Arbeitsmarktes hinsichtlich der Elterngeneration ausweist und zum anderen ein Kompensationsdefizit des deutschen Schulsystems markiert, denn es sind die Organisationsprinzipien und Unterrichtsmerkmale der deutschen Schule, die sozial ungleiche Lernausgangslagen im Lernprozess relevant – zumeist ungleichheitsverstärkend relevant – werden lassen." (ebd.: 26)

Literatur

Bos, Wilfried; u.a. (Hrsg.): IGLU 2006: Lesekompetenzen von Grundschulkindern in Deutschland im internationalen Vergleich: Zusammenfassung . Münster: Waxmann 2007.

Geißler, Rainer: Bildungsexpansion und Bildungschancen.

http://www.bpb.de/izpb/198031/bildungsexpansion-und-bildungschancen?p=all [Stand 04.01.2018].

Hußmann, Anke; u.a. (Hrsg.): IGLU 2016: Lesekompetenzen von Grundschulkindern in Deutschland im internationalen Vergleich . Münster – New York: Waxmann 2017.

Rekus, Jürgen; Mikhail, Thomas: Neues schulpädagogisches Wörterbuch . 4. Auflage. Weinheim und Basel: Beltz 2013.

Solga, Heike; Dombrowski, Rosine: Soziale Ungleichheiten in schulischer und außerschulischer Bildung: Stand der Forschung und Forschungsbedarf . In: Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.): Arbeitspapier, Bd. 171. Düsseldorf: 2009.

Statistisches Bundesamt: Schulen auf einen Blick: Ausgabe 2016 . Wiesbaden: 2016.

Statistisches Bundesamt: Datenreport 2016: Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland . Bonn: 2016.

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Geht sogar noch.

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Nach den schönen „Aufstiegsgeschichten“ von Ernie Eddie und die_f kann ich gerne auch mal ein Gegenbeispiel dazu bringen, und mal erzählen, wie es auch laufen kann.

Ich komme ebenfalls aus einer Nicht-Akademiker-Familie. Mein Vater ist Steinbildhauer, meine Mutter war schon immer und ist selbst heute noch in der Gastronomie. Ich hatte in der Schule schon ganz früh immer gute Noten. Viele Sachen wie lesen oder einfaches Rechnen konnte ich schon, bevor ich eingeschult wurde und war dementsprechend auch total unterfordert auf der Grundschule. Das hat man aber natürlich nicht wie heute gesehen, wo Kinder dann eben Stufen übspringen dürfen oder so, sondern meine Eltern haben sich gefreut, dass der Bub gute Noten heim bringt und sie arbeiten konnten, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, dass meine Schule drunter leidet. Ich habe dann logischerweise auch die Empfehlung für’s (bayerische) Gymnasium bekommen und ab da ging es bergab.

Plötzlich musste ich etwas tun für meine Noten, und das hatte ich vier Jahre lang einfach nie gelernt. Mein Vater kämpfte mit den Anfängen seiner Selbstständigkeit und war eigentlich nie daheim, meine Mutter auch oft arbeiten. So wurden meine Noten über die Jahre immer schlechter und schlechter, bis ich schließlich nach der neunten Klasse das Gymnasium verließ und auf der benachbarten Realschule meine mittlere Reife machte (die dann immerhin sehr gut). Nach einem Jahr Work&Travel sollte es dann ne Ausbildung sein nach der Rückkehr. Fremdsprachenkorrespondent. Zwei Jahre schulische Ausbildung an einer privaten Schule, zum Glück fast 1 zu 1 durch Schülerbafög finanziert. Die schloss ich dann auch ab, ebenfalls sehr gut, allerdings merkte ich, dass das niemals mein Beruf sein würde.

Also beschloss ich, auf dem zweiten Bildungsweg mein Abitur nachzuholen. Aber dazu musste ich aus meinem Dorf in Unterfranken entweder jeden Tag nach Frankfurt pendeln oder eben dort wohnen. Also habe ich, wieder mit der Hilfe von Schülerbafög und eben nebenher arbeiten, irgendwie mein Leben in Frankfurt finanziert und ein sehr gutes Abitur dort gemacht. Da wollte ich ein Studium dran hängen und das packen, was keiner in meiner Famlie gepackt hatte vorher. Also habe ich mich an der FH in Frankfurt eingeschrieben. Drei Semester habe ich durch gehalten, dann ging es nicht mehr. Ich bekam kein Kindergeld mehr und nur mit dem Nebenjob und Bafög war es am Ende kaum möglich, über die Runden zu kommen. Ich habe dann beim Nebenjob die Stunden aufgestockt, um überhaupt Miete usw. zahlen zu können. Dann, und ich weiß, dass das jetzt nicht sozial bedingt ist, haben sich meine damalige Freundin und ich getrennt und ich brauchte plötzlich eben viele neue Sachen wie Bett, Wohnung, etc. was sämtliche Reserven gefressen hat, die ich irgendwie hatte. Unter dem mittlerweile nicht mehr Neben- sondern Hauptjob hat das Studium dann einfach dermaßen gelitten, dass ich nach drei Semestern abgebrochen habe und ins Berufsleben gestartet bin.

Möchte das hier nicht so darstellen, als wäre das der unausweichliche Weg gewesen und mein Schicksal quasi vorher besiegelt. Klar hätte es Möglichkeiten gegeben, z.B. einen Studikredit oder so. Da hatte ich wohl damals einfach zu viel Respekt vor (meine Frau hat das gemacht und wir zahlen heute noch ab). Aber mit „reichen“ Eltern, um das mal so salopp zu formulieren, hätte ich wohl deutlich bessere Chancen gehabt, mein Studium auch abzuschließen, einfach weil viele andere Dinge kein Thema in meinem Leben gewesen wären.

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Ernie oder Eddie, Hauptsache Everlong.

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Einer der interessantesten Aspekte aus diesen Studien, war die Erkenntnis, dass Eltern aus „bildungsfernen“ Schichten teilweise auch einfach nackte Angst hatten ihre Kinder zu verlieren. Den Zugang zu eben diesen, dass sie ihnen peinlich sein könnten und sie nichts mehr mit ihren dummen Arbeiter- oder Bauerneltern zu tun haben wollen würden.

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Wie wäre es in dem Fall eigentlich mit einer Petition zur Umbenennung der Stadt? Wie wäre es mit Stalingraz oder Leningraz?

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Ernsthaft? Das schaffen von mehr Chancengleichheit? Das traue ich der FDP am allerwenigsten zu.

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Heute hab ich noch ein wirklich überzeugendes AFD-Wahlargument gehört: stand so schön weit oben auf dem Wahlzettel.

JETZT weiß nach welchen Prämissen die wählen. Sonst stand da ja die CDU…macht schon Sinn.

Soll der Staat bei der Steuer berücksichtigen wie lange man schon Steuern zahlt oder wie lange man studiert hat?
Ein Argument ist nicht selten, dass im Gegensatz zum Akademiker andere schon 10 Jahre Steuern zahlen bevor der Fertigstudierte den ersten Euro abdrückt. Und dafür nimmt er auch noch die vom Steuerzahler finanzierte Uni mit.
Zudem solltest du dazu sagen was der Spitzensteuersatz bei 57k bedeutet. 57.000€ zu versteuerndes Einkommen sind wegen Freibeträgen und bisschen Pendlerpauschale usw. locker 68.000€ Brutto. Das sind bei etwa 40% Abgabenquote dann 40.800€ Netto, also rund 3400€ Netto pro Monat. Damit wäre man beim Einkommen unter den oberen 10% der Gesamtbevölkerung (Einkommensverteilung in Deutschland - Institut der deutschen Wirtschaft (IW)). In meinen Augen gar nicht mehr so irre, dass Spitzenverdiener den Spitzensteuersatz zahlen.

Im übrigen hätte es den Spitzenverdienerstudent real am meisten entlastet, hätte er keine Studiengebühren zahlen müssen. Gerne erinnere ich dich daran wer dafür gesorgt hat, dass Jahre lang allgemeine Studiengebühren zu zahlen waren (bei mir waren es 3 Jahre lang 1000€). Das war die Union und FDP.(Studiengebühren in Deutschland – Wikipedia)
Gelebte Chancenungleichheit, wie es hier im Thread mehrfach sehr anschaulich beschrieben wurde.

Der arme Durchschnittsarbeiter, der 50€ spart wird ja so sehr geschröpft. Der hat nämlich bei 7% Rendite - man soll ja nicht kleckern, der Markt gibt was her und außerdem stehen die durchschnittlichen 7% doch in allen hippen Finanz-Blogs - tatsächlich nach 13 steuerfreien Jahren den Freibetrag gerissen und muss dann auf seine Kapitalerträge die über 801€ liegen Steuern zahlen. Echt fies.
Aber hey, um den 50€ Rentner geht’s doch eigentlich gar nicht?
Eigentlich geht’s um den Spitzenverdiener, der ja aus der gesetzlichen Rente gar nicht mal so wenig bekommt. Und der auch nicht 13 sondern vielleicht 2 Jahre braucht um den Freibetrag zu überschreiten. Pro Tipp: Der kann dann mit nem Rürup Vertrag für die Rente sparen. Das kann er nämlich von der Steuer absetzen und so seine wertvollen Euros vor dem Spitzensteuersatz retten.
Aber warte, eigentlich geht’s auch gar nicht um die Rente, oder?

Sorry, aber das ist so 100% FDP Klischee.
Immer die selbe Leier und Halbwahrheiten die suggerieren sollen, dass der arme kleine Mann so sehr abgeschöpft wird.
Und am Ende geht’s doch nur drum, den Reichen die Steuern zu senken und sie ja nicht beim leistungslosen Geldverdienen zu stören.

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Der Thread ist aber sowas von on :fire:.
Danke für die vielen tollen Posts und persönlichen Einblicke.

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Wimmelbild: Hier die neue SPD-Bundestagsfraktion. Eine/r trägt Maske. Ratet wer.

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„…und als ich dann finanziell, emotional und moralisch komplett am Boden war, entschloss ich mich, Schiedsrichter zu werden.“

:bushlove:

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Ich will nochmal kurz auf die Themen „gleiche Bildungschancen und Verdienstmöglichkeiten für alle“ und Mietendeckel zurückkommen.

Die Chancenungleichheit endet ja nicht beim Thema Bildung und spätere Verdienstmöglichkeiten, es gibt ja mehrere Studien und aufgedeckte Praktiken von Vermietern, dass Menschen mit Migrationshintergrund systematisch bei Wohnungssuchen benachteiligt wurden, oder sogar komplett ausgeschlossen wurden.

Siehe z. B. hier:

Und dieses Beispiel hinkt an mehreren Ecken. Fließen in dieser Wert nicht alle Arbeitnehmer ein? Also auch Geschäftsführer und Top Manager mit astronomischen Gehältern? Das würde den Wert ja völlig verzerren. Um einen Profifussballer vom FC Bayern auszugleichen, müsste es ja dann schon wieder 2.500 Arbeitnehmer geben, die nur den Mindestlohn verdienen würden.

Zum anderen gibt es genügend Menschen (meistens Frauen), die nur eine Teilzeitbeschäftigung ausüben und dementsprechend deutlich unter diesem Betrag liegen. Nicht zu schweigen von Leuten, die nur den Mindestlohn (€ 9,60 pro Stunde und bei 40 Stunden € 1.664,00 pro Monat) bekommen.

Die allermeisten dieser Menschen wüssten zudem im Leben nicht, wo sie € 50,- pro Monat herbekommen sollten, noch wie man sinnvoll in Aktien investiert (Brücke zurück zur Bildung).

Das sind alles schöne theoretische Überlegungen, die aber leider die Lebensrealität vieler Menschen völlig außer acht lassen.

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:love:

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